Ausgabe Nr. 2/2020
2 CAMION 2/2020 Verband Vertragsfahrer – ausgenommen und verkauft Wer als Vertragsfahrer arbeitet, geht davon aus, etwas mehr zu verdienen, einen eigenen Lastwagen zu haben und selbstständig zu sein. In guten Jahren gut zu verdienen und in schlechten Jahren nicht unterzugehen ist ein guter Ansatz, der oft funktioniert. Manch einer ist abgestürzt, manch einer hatte Erfolg. Es gibt Beispiele, aus denen man lernen sollte. I m Vergleich zu den 1990er-Jahren ist es ru- higer geworden. Die Lizenz hat manchem gezeigt, dass es eine solide Basis braucht. Trotzdem birgt diese Form eines Arbeitsver- hältnisses nach wie vor Risiken. Das folgende Beispiel hat sich tatsächlich so ereignet. Um keine juristischen Auseinandersetzungen zu haben und niemanden blosszustellen, wer- den keine Namen genannt. X ist mit Freude und Zuversicht in ein Ver- tragsfahrerverhältnis bei einer Logistik- und Transportfirma eingestiegen. Es wurde ihm Arbeit angeboten, er musste ein Fahrzeug be- sorgen und seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Folglich hat er einen Anhängerzug ge- least. Im Vertrag wurden keine Preise festge- halten. Bezahlt wurde er aber immer aufgrund der Transportleistung, gemäss Aufträgen, Stre- cke und transportierter Menge. Die Abrech- nungen waren zwar nie nachvollziehbar. Die Abrechnungen ergaben einen vernünftigen Lohn und etwas Gewinn. Er hat sich mit Ver- trauen für die Firma eingesetzt, keine unnöti- gen Ausgaben gemacht und effizient gearbei- tet. Der Auftraggeber schien ebenso zufrieden. In Folge machte er sich nach ein paar Jahren keine Sorgen, das Fahrzeug zu erneuern. Das Auftragsverhältnis wurde weitergeführt. Viel investiert Um die Aufträge noch effizienter durchfüh- ren zu können, hat er in sein Fahrzeug inves- tiert, damit er mehr Ladung mitführen konnte. Dies inmündlicher Absprachemit seinemAuf- traggeber. Er wollte effizienter arbeiten, mehr Leistung erbringen und natürlich auch etwas mehr verdienen. Für den Auftraggeber sollte die Gesamtleistung auch günstiger werden. Er ist davon ausgegangen, dass er aufgrund des grösseren Transportvolumens auch mehr Entschädigung erhält. Schliesslich arbeitete er nicht im Stunden- oder Monatslohn. Er war bereit, einen Teil des Geschäftsrisikos mitzu- tragen und ging davon aus, dass er mit den zusätzlichen Investitionen seinen Geschäfts- erfolg verbessern konnte. Insbesondere, da der Auftraggeber die neuenMöglichkeiten ge- nutzt hat und davon profitiert hat. Nachdem er gesehen hatte, dass sich der Monatsumsatz nicht verändert hat und der zusätzlichen Trans- portleistung keine Rechnung getragen wurde, hat er beim Auftraggeber interveniert. Darauf- hin wurden die Abrechnungen angepasst. Nach wenigen Monaten wurden aber wieder die bisherigen, tieferen Ansätze vergütet. Auch wurde er vermehrt so eingesetzt, dass er sei- ne Investitionen nicht mehr nutzen konnte. Er wurde für andere Aufträge disponiert, die nicht mehr so einträglich waren und wofür seine Investitionen keinen Sinn machten. Er musste aber zusehen, wie andere Vertragsfahrer und eigene Fahrzeuge für seine alten Aufträge eingesetzt wurden. Infolge reklamierte er ge- legentlich. Daraufhin hat er eher noch schlech- tere Aufträge erhalten. Nachdem er mehrfach erklärt hatte, dass er mit den neuen Aufträgen seine Investition nicht mehr finanzieren kann, wurde der Vertrag vom Auftraggeber mit mi- nimaler Frist gekündigt. Er hatte keine Aufträge mehr undmit der bestehenden Farbe amLast- wagen und der Vorgeschichte konnte er auch keine Aufträge finden. X musste aufgeben und das Fahrzeug ver- kaufen. Wer einen Notverkauf machen muss, verliert üblicherweise viel Geld. Es bestehen keine Gesetze zum Schutz von Kleinunterneh- mern. Selbstständigkeit heisst, das Risiko zu tragen. Trotz intensiver Arbeit hat X schluss- endlich mehr als 100000 Franken verloren. Aus welchen Gründen das Vertrags- verhältnis in die Brüche ging, ist schwierig nachzuvollziehen. Am Schluss war sich der Auftraggeber die Diskussionen leid und hat gekündigt. Auf dem Weg dorthin hat einiges Am Steuer des eigenen Lastwagens zu sitzen und alsVertragsfahrer zu arbeiten, kann ein erfolgreiches Modell sein. Man kann aber auch scheitern. Foto:Laurent Missbauer Wer einen Notverkauf machen muss, verliert üblicherweise viel Geld. Es bestehen keine Gesetze zum Schutz von Kleinunternehmern. Selbstständigkeit heisst, das Risiko zu tra- gen. Trotz intensiver Arbeit hat X schlussend- lich mehr als 100000 Franken verloren.
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