Ausgabe Nr. 5/2020
4 CAMION 5 /2020 Recht Das Virus und das Arbeitsrecht Muss ich während der Corona-Krise Über- stunden leisten? Wie auch unter normalen Umständen gilt auch jetzt für das Leisten von Überstunden, dass diese geleistet werden müssen, solange es für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Es kann sein, dass im einen oder anderen Unternehmen aufgrund der derzeitigen Situation mehr Arbeit anfällt. Ins- besondere wenn man an die Landesversor- gung denkt. Der Arbeitnehmer muss Über- stunden leisten, solange die Anzahl der geleisteten Stunden imgesetzlichen Rahmen bleibt. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass sich Chauffeure weiterhin an die ARV1 halten können. Dies gilt auch für die derzeiti- gen Lockerungen bezüglich Lenkzeit und Ruhezeit, welche im Rahmen der Landesver- sorgung vom ASTRA vorübergehend verfügt wurden. Der Arbeitgeber hat zudem auch eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeit- nehmer und muss soweit wie möglich auf seine Gesundheit und seine Sicherheit ach- ten. Muss ich vor Inanspruchnahme von Kurz- arbeitsleistungen meine Überstunden kompensieren? Nein. Einerseits erfolgt die Überstundenkompensation in gegenseiti- gem Einverständnis. Der Arbeitgeber kann diese nicht einseitig anordnen. Andererseits hat der Bundesrat in seinem Massnahmen- paket beschlossen, dass die Überstunden vor der Anmeldung für Kurzarbeit nicht vorher kompensiert werdenmüssen. SolltedieKom- pensation dennoch vom Arbeitgeber ange- ordnet werden, muss man dagegen schrift- lich protestieren, wennman nicht einverstan- den ist. Darf der Arbeitgeber Ferien anordnen? Rein rechtlich betrachtet, bestimmt der Arbeitge- ber den Zeitpunkt der Ferien. Er dürfte also sagen, ob ein Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Ferien kann oder nicht. Die derzeitige aussergewöhnliche Situ- ation wirft jedoch Fragen auf. Geht man vom Zweck der Ferien aus, der Erholung, Reisen, Familienbesuche usw. bedeutet, so muss man stark an der Erfüllung dieses Zwecks zweifeln, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer Pandemie und des damit verbundenen Arbeitsmangels Ferien anordnet. Ferien sind nicht dazu da, wirtschaftliche Engpässe des Während der Corona-Pandemie stellen sich für den Arbeitnehmer verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht. Der Rechtsdienst von Les Routiers Suisses hat die wichtigsten beantwortet. Arbeitgebers zu überbrücken. Dazu haben wir das Instrument der Kurzarbeit. Auchwenn es für den einen oder anderen mühsam sein sollte die Anmeldung vorzunehmen, so ist es sehr empfehlenswert. Der Bund hat genü- gend Mittel zur Verfügung gestellt, diese schwierige Zeit zu überbrücken. Zudem braucht es einen zeitlichen Vorlauf, wenn es um Zwangsferien geht. Der Arbeitgeber muss solche Ferien wenigstens drei Monate imVoraus anordnen, was derzeit kaummög- lich ist. Auch wenn es für diese spezielle Situ- ation noch keine Rechtsprechung gibt, raten wir von einseitigen Anordnungen, Ferien zu beziehen, ab. Rechtsstreitigkeiten sind vor- programmiert. Deswegen ratenwir Arbeitge- ber und Arbeitnehmer, wennmöglich, immer eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Wer hat Anrecht auf Kurzarbeitsentschädi- gung? Neben fest angestellten Arbeitneh- mern kann neu die Kurzarbeitsentschädi- gung auch für Angestellte in befristeten Arbeitsverhältnissen und für Personen im Dienste einer Organisation für Temporärar- beit ausgerichtet werden. Der Arbeitsausfall kannauch für Personen, die ineinemLehrver- hältnis stehen, anrechenbar werden. Wie hoch ist mein Anspruch auf Kurz arbeitsentschädigung? Je nachdem zu wel- chemProzentsatz Sie für Kurzarbeitsentschä- digungangemeldet werden, fällt die Entschä- digung unterschiedlich aus. Hier ein Beispiel: Ausgangslage: Kurzarbeit 40% angemeldet (zu 80% entschädigt), 60% wird weiter im Betrieb gearbeitet, Lohn Bsp. Fr. 5500.– im Monat. Sie erhalten; 40% von Fr. 5500.– zu 80% = Fr. 1760.– dazu 60% von Fr. 5500.– zu 100% = Fr. 3300.–. Insgesamt erhalten Sie also Fr. 5060.– . Ausserdem kann Kurzarbeitsentschädi- gung neu auch für arbeitgeberähnliche Angestellte ausgerichtet werden. Als arbeit- geberähnliche Angestellte gelten z. B. Gesellschafter einer GmbH, welche als Angestellte gegen Entlohnung im Betrieb arbeiten. Personen, die im Betrieb des Ehe- gatten bzw. des eingetragenen Partnersmit- arbeiten, können nun auch von Kurzarbeits- entschädigungen profitieren. Sie sollen eine Pauschale von 3320 Franken als Kurzar- beitsentschädigung für eine Vollzeitstelle geltend machen können. Die Karenzfrist (Wartefrist) für Kurzarbeitsentschädigungen wird aufgehoben. Damit entfällt die Beteili- gung der Arbeitgeber an den Arbeitsausfäl- len. Die Arbeitslosenversicherung zahlt somit vom ersten Tag an. Entschädigung bei Erwerbsausfällen für Selbstständige? Selbstständig Erwerbende, die wegen behördlicher Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus Erwerbsaus- fälle erleiden, werden entschädigt, sofern nicht bereits eine Entschädigung oder Versi- cherungsleistung besteht. Eine Entschädi- gung ist für folgende Fälle vorgesehen: Schul- schliessungen, ärztlich verordnete Quaran- täne, Schliessung eines selbstständig geführten öffentlich zugänglichen Betriebs. Die Entschädigungen werden in Anlehnung an die Erwerbsersatzordnung geregelt und als Taggeldausgerichtet. Dieses entspricht 80 Prozent des Einkommens und beträgt höchs- tens 196 Franken pro Tag. Die Anzahl Taggel- der für Selbstständige inQuarantäneodermit Betreuungsaufgaben ist auf 10 respektive 30 befristet. Die Prüfung des Anspruchs und die Auszahlung der Leistung wird von den AHV-Ausgleichskassen vorgenommen. Kredite des Bundes BetroffeneUnternehmen können Überbrückungskredite im Umfang von höchstens 10% ihres Jahresumsatzes bis max. 20 Millionen Franken von ihren jeweili- gen Banken beantragen. Gewisse Minimal- kriterien sind zu erfüllen, insbesondere muss die Unternehmung erklären, dass sie auf- grund der Corona-Pandemie wesentliche Umsatzeinbussen erleidet. Bis zu 500000 FrankenwerdenKrediteunbürokratisch innert kurzer Frist ausbezahlt undzu 100%vomBund abgesichert. Der Zinssatz ist auf null Prozent festgelegt. Der Kreditantrag ist seit 26. März 2020 auf der Webseite «covid19.easygov. swiss» verfügbar. Überbrückungskredite, die den Betrag von 500000 CHF übersteigen, werden zu 85% vom Bund abgesichert. Die kreditgebende Bank beteiligt sichmit 15% am Kredit. Solche Kredite können bis zu 20 Millio- nen Franken pro Unternehmen betragen und setzen deshalb eine umfassendere Banken- prüfung voraus. Bei diesen Krediten beträgt der Zinssatz aktuell 0,5% auf dem vom Bund abgesicherten Darlehen. Unternehmen mit mehr als 500Millionen FrankenUmsatz fallen nicht unter dieses Programm. Da viele KMU nur über eine Kontoverbindung bei Post- Finance verfügen, ermöglicht der Bundesrat auch der PostFinance, ihren bestehenden Fir- menkunden unbürokratischen Zugang zu Krediten bis 500000 Franken zur Verfügung zu stellen. Kredite sind einfach, rasch und unkompliziert ab26.März2020 für alleBetrof- fenen zugänglich. Die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte (FinDel) hat am 23. März einen Verpflichtungskredit von 20 Milli- arden Franken genehmigt. (Elvedin Mesic)
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