Ausgabe Nr. 12/2020

9 CAMION 12 / 2020 Putallaz im Depot Sion ihres Arbeitgebers, der Firma Dayer Transporte, Hérémence. Ihr Auftrag besteht heute Vormittag darin, mit ihrem Mercedes Arocs 14 Tonnen Asphalt nach Euseigne, einem kleinen, knapp unter 1000 m ü.M. gelegenen Dörfchen unterhalb Hérémence, zu überführen. Während unserer Fahrt auf der Berg- strasse von Sion nach Euseigne erzählt uns Gabrièle Putallaz, dass sie über einen Matu- ritätsabschluss in «Mathematik und Chemie» verfüge und, weil sie Tiere sehr gern hat, eine Lehre als Tierarzthelferin absolviert habe. Ihre grosse Liebe gilt allerdings dem Fahren, sei es mit Auto, Motorrad oder eben Lastwagen. «Ich liebte es, meinen Vater zu begleiten» Ist es nicht eher ungewöhnlich für ein Mädchen, Lastwagen zu fahren? Wohl kaum, wenn man aus einer Familie stammt, wo sowohl einer ihrer Brüder, der Vater, ein Grossvater, der Pate sowie ein Grossonkel Lastwagenchauffeure sind. «Als ich klein war, liebte ich es, während der Schulferien meinen Vater zu begleiten. Ich genoss die Fahrt, so hoch über der Strasse, ganz vorne im Fahrzeug», erzählt uns Gabrièle Putal- laz. Sie hätte allerdings nie gedacht, dass das Lastwagenfahren für eine Frau in Frage käme. Nachdem sie jedoch einige Chauf- feur-Kollegen, darunter der unseren Lesern bestens bekannte Louis «Obélix» Berthouzoz (SWISS CAMION 2/2015 und 5/2020), sowie nach Absolvierung eines Praktikums bei Dayer Transporte, konnte sie sich überzeu- gen, dass der Chauffeurberuf für das angeb- lich schwache Geschlecht ebenso passend ist wie für die männlichen Kollegen auch. Nach ihrem Lehrabschluss als Tierarzt- helferin entschloss sich Gabrièle Putallaz deshalb für eine zweite Lehre als Lastwa- genchauffeuse, ein Entscheid, den sie heute in keiner Weise bereut, im Gegenteil: «Die Arbeit als Chauffeuse gefällt mir sehr. Sie ist … sie rückwärts manövriert, ist kaum breiter als ihr Mercedes Arocs! Ohne Lastwagen keine Asphaltierung! Gabrièle Putallaz kippt hier den Asphalt zur Fertigstellung einer Strasse etwas unterhalb des Dörfchens Euseigne imVal d’Hérens. Gabrièle Putallaz überwacht konzentriert die Rückspiegel. Das Strässchen auf dem… Zwei Eringer Kühe grasen friedlich neben dem Strässchen, auf dem Gabrièle Putallaz mit grossem Geschick rückwärts fährt. Um Sekunden verpasst: Gabrièle Putallaz kraulte eben noch die Eringer Kuh und flüsterte ihr sogar einige Worte ins Ohr, leider bevor wir mit unserer Kamera zur Stelle waren. äusserst abwechslungsreich, und hier, bei uns im Wallis, ist die Landschaft ausgespro- chen schön.» Quasi als Beweis dieser Äusse- rung tauchen vor uns die majestätischen Py- ramiden von Euseigne auf, entstanden durch die Gletschererosion im Moränengelände des Tals. Diese mit einem Stein bedeckten Pyramiden wurden 1983 in das Inventar der Landschaften, Naturstätten und Denkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen. Sie sind eine der meist fotografierten Touris- tenattraktionen im Val d’Hérens. Zwei herrliche Eringer Kühe Nachdem wir die Pyramiden hinter uns gelassen haben – durch einen kleinen Tun- nel gelangt man von der einen Seite dieser geologischen Kuriosität auf die andere – ist die Baustelle, wo Gabrièle Putallaz erwartet wird, nicht mehr weit. Sie befindet sich auf einer Strasse unterhalb des Dorfes Euseigne, die neu asphaltiert werden muss. Asphalt,

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