6 CAMION 9 / 2022 Kabotage Bund drückt sich vor Verantwortung und liefert Argument für die Chauffeurinitiative Die Idee des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wurde mit grosser Kelle angerichtet: Umdie Impfquote imKampf gegen Covid- 19 zu erhöhen, gingen letzten November Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Musikszene durchs Land auf Konzerttour und versuchten, Ungeimpfte zu überzeugen, sich doch noch ein entsprechendes Vakzin verabreichen zu lassen. Doch die Konzerte von Stress, Stefanie Heinzmann oder Baschi halfen wenig – sehr wenig sogar. Fast niemand bezog «Chum bring en hei» auf einen Impfstoff. Was Wunder, taugt der Song doch nur als helvetische Fussballhymne und lässt demnach höchstens die Oberfläche von ohnehin seichtem Gewässer kräuseln. Die Impfquote stieg jedenfalls lediglich um etwa einen halben Prozentpunkt. «Ausser Spesen nichts gewesen», so der Tenor in den hiesigen Medien. Wohl zu Recht. Lächelnd vor dem Kabotage-Bus Als wäre das nicht genug, trug sich im Rahmen dieser Kampagne auch noch Ungeheuerliches zu. Die drei Cars, mit denen die Musikerinnen und Musiker durch das Land gekarrt wurden und vor denen sich sogar der damalige Bundespräsident Guy Parmelin lächelnd für Pressebilder ablichten liess, hatten deutsche Nummernschilder. Was in fast ganz Bundesbern, wenn überhaupt, höchstens als Lappalie bemerkt wurde, war in Tat und Wahrheit ein Verstoss gegen das Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Lediglich die SVP-Nationalratsmitglieder Stefanie Heimgartner und Christian Imark stellten dem obersten BAG-Chef, Das deutsche Nummernschild am Car, gut sichtbar in der Berichterstattung auf Blick.ch. Screenshot: Blick.ch Das deutsche Carunternehmen, das bei seinem Engagement für die nationale Impfwoche des BAG im letzten November Kabotage betrieben hat, wird gebüsst. Auch die drei Carchauffeure müssen blechen. Das BAG selbst bleibt unbehelligt. Der Fall zeigt, dass die Kabotageregelung aus dem Landverkehrsabkommen mit der EU auch in die Bundesverfassung gehört. Der Berufsverband Les Routiers Suisses verlangt dies mit seiner Chauffeurinitiative. Aufgrund eines fehlenden eigenen Kabotagegesetzes kontrollieren unsere Behörden eher wenig und es bestehen bei den Vorschriften einige Unsicherheiten. SP-Bundesrat Alain Berset, kritische Fragen zum Verstoss gegen das Kabotagegesetz bei dieser Aktion des Bundes. Nicht gewillt, sich der Thematik ernsthaft zu stellen, verwies der Bundesrat auf laufende Ermittlungen durch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), das inzwischen auf den Plan gerufen wurde. Eine Anfrage des SWISS CAMION, der Fachzeitschrift mit der höchsten Auflage in der Transportbranche, liess das BAG schlicht unbeantwortet. Ob aus Ignoranz, Arroganz oder beidem spielt letztlich keine Rolle mehr. Denn: Der Bund kann sich, ähnlich wie gewisse Grosskonzerne in der Privatwirtschaft, durch das Engagement von Subunternehmen, die Subunternehmen engagieren, aus der Verantwortung nehmen. Zur Kasse gebeten werden nämlich nur das Carunternehmen und die Chauffeure. Das BAZG hat die geschuldeten Abgaben für Zoll und Mehrwertsteuer von 76000 Franken nacherhoben. Zudem erhielten die drei Chauffeure je eine Busse im niedrigen dreistelligen Bereich, wie das BAZG gegenüber dem «Blick» sagte. Weiter seien Strafuntersuchungen gegen verantwortliche Mitarbeitende eröffnet worden. Keine Ermittlungen gab es gegen das Unternehmen, das vom BAG mit der Durchführung der Impfwoche beauftragt wurde und dafür das deutsche Carunternehmen gebucht hatte. Das BAG und der Bundesrat sind ebenfalls fein raus. Der Begriff Kabotage wird dort wohl bereits wieder in Vergessenheit geraten sein. Für die Verantwortlichen in Bern dürfen Regelverstösse eben noch als Lappalien gelten. Chauffeurinitiative will klare Verhältnisse Der Fall zeigt, dass nur wenige das Thema Kabotage wirklich kennen, obwohl seit Jahren immer wieder verbotenerweise Transporte innerhalb der Schweiz mit ausländisch immatrikulierten Fahrzeugen durchgeführt werden. Ein Grund ist wohl, dass abgesehen vom Landverkehrsabkommen mit der EU eine Schweizerische Gesetzgebung fehlt. Es geht nicht nur darum, dass der Staat nicht um Abgaben und Steuern geprellt wird, sondern auch darum, dass keine Wettbewerbsverzerrung durch Kabotage entsteht. Seit Jahren verlieren einheimische Transportunternehmen und Chauffeure nämlich Aufträge. Aufgrund eines fehlenden eigenen Kabotagegesetzes kontrollieren unsere Behörden eher wenig und es bestehen bei den Vorschriften einige Unsicherheiten. Deswegen wird die Vorschrift regelmässig unterlaufen. «Die Kabotageregelungen müssen in der Bundesverfassung verankert werden. Für die Umsetzung braucht es ein detailliertes Gesetz oder eine Verordnung», heisst es deshalb in der von Les Routiers Suisses lancierten Chauffeurinitiative. Der Bund hat mit seinem Verhalten im Fall der nationalen Impfwoche ein gutes Argument geliefert, die Chauffeurinitiative von Les Routiers Suisses zu unterstützen. (Daniel von Känel) www.chauffeurinitiative.ch Was in fast ganz Bundesbern, wenn überhaupt, höchstens als Lappalie bemerkt wurde, war in Tat und Wahrheit ein Verstoss gegen das Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU.
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