4 CAMION 2 / 2023 Recht Muss man im Vorstellungsgespräch über Strafverfahren berichten? Die Arbeitskammer des Genfer Gerichtshofs hatte die Gelegenheit, sich in einem Anfang 2022 veröffentlichten Urteil mit dieser Frage zu befassen. Eine Frau verklagte ihren ehemaligen Arbeitgeber wegen ungerechtfertigter Entlassung. Die Kündigung war ausgesprochen worden, weil die junge Frau es versäumt hatte, bei ihrem Einstellungsgespräch zwei alte Strafverfahren im Zusammenhang mit früheren Beschäftigungsverhältnissen zu erwähnen, in denen sie wegen gewerbsmässigen Betrugs und Urkundenfälschung, aber auch wegen Vertrauensmissbrauchs verurteilt worden war. Der Arbeitgeber gab an, dass aufgrund dieser Verheimlichung ein Vertrauensbruch vorliege, der eine fristlose Kündigung erforderlich mache. Während des Einstellungsverfahrens dürfen nur Fragen gestellt werden, die sich auf die Fähigkeit des Bewerbers beziehen, die an die Stelle gestellten Erwartungen zu erfüllen. Bei einemVorstellungsgespräch möchte sich jede und jeder von seiner besten Seite zeigen. Die erste Reaktion auf die Frage in der Überschrift lautet daher, dass man in diesem Zusammenhang auf keinen Fall über frühere oder laufende Strafverfahren sprechen sollte.Aber gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, dies zu tun? Dagegen sind Fragen, die nichts mit der Stelle zu tun haben und die Privatsphäre des Bewerbers oder seiner Angehörigen verletzen, streng verboten (z.B. politische Meinungen, sexuelle Orientierung, Familienstand, Freundeskreis…). Es sei denn, die Informationen stehen im Zusammenhang mit der betreffenden Tätigkeit. Einfluss auf neue Stelle ist entscheidend Es wird eine gewisse Verpflichtung des potenziellen Arbeitnehmers anerkannt, während eines Einstellungsgesprächs unaufgefordert mögliche laufende oder abgeschlossene Strafverfahren zu erwähnen, wenn diese Information konkret die Erfüllung des Arbeitsvertrags verhindern oder behindern könnte. Dagegen müssen gelöschte Verurteilungen nicht zwingend erwähnt werden, da davon ausgegangen wird, dass der Arbeitnehmer ein «Recht auf Vergessen» hat. Wird eine frühere oder gegenwärtige Verurteilung nicht erwähnt, obwohl eine Verpflichtung bestand, kann dies mit einer sofortigen Kündigung des Arbeitsvertrags geahndet werden. Wenn sich eine solche Verurteilung als unvereinbar mit der angebotenen Stelle erweist, unabhängig davon, ob sie im Privat- oder Berufsleben stattgefunden hat, muss sie unaufgefordert offengelegt werden. Drohenden Führerscheinverlust melden In Anbetracht der obigen Ausführungen fragen wir uns nun, ob diese Überlegungen auf die Welt des Transports anwendbar sind. Nach unserer Interpretation der vorvertraglichen Pflichten verstösst ein Fahrer, der zu einem Vorstellungsgespräch erscheint, obwohl er weiss, dass er höchstwahrscheinlich bald seinen Führerschein verlieren wird, und dies seinem potenziellen zukünftigen Arbeitgeber nicht während des Vorstellungsgesprächs mitteilt, gegen diese Pflichten. Tatsächlich beruht die eigentliche Anstellung des Fahrers auf seiner Fähigkeit zu fahren, und daher wäre es unserer Meinung nach ein Versäumnis, der anderen Partei nicht alle notwendigen Informationen zu geben, damit sie die beste Entscheidung treffen kann. (Sarah Amat) Neu gibt es einen Urlaub im Rahmen der Adoption eines Kleinkinds Mit dem neuen Adoptionsurlaub wird das Bundesgesetz über den Erwerbsausfall (EOG) etwas erweitert. Vater und Mutter, die die gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen, haben Anspruch auf bezahlten Urlaub. Dies war eine Lücke im Gesetz, welche nun durch die Einführung dieser neuen Regelung angemessen behoben wird. Das Hauptziel der neuen Regelung besteht darin, die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben im Rahmen einer Adoption zu verbessern, um eine harmonische Umsetzung zu ermöglichen. Diese Leistung wird ab Januar 2023 in das EOG integriert und fällt in den Zuständigkeitsbereich der Eidgenössischen Ausgleichskasse EAK und nicht der kantonalen oder Verbandsausgleichskassen, wie dies bei den anderen bereits bestehenden EOG-Zulagen der Fall ist. Um Anspruch auf diesen Urlaub zu haben, müssen zwingend die folgenden Bedingungen erfüllt sein: – Das Kind muss jünger als vier Jahre alt sein. – Die Eltern müssen Arbeitnehmer oder Selbstständige sein oder eine Tätigkeit gegen Naturallohn ausüben. – Sie müssen vor der Adoption des Kindes mindestens neun Monate lang obligatorisch nach dem AHVG versichert gewesen sein. – Während der Versicherungsperiode müssen sie mindestens fünf Monate lang gearbeitet haben. Achtung: Die Adoption des Kindes des Ehepartners gibt keinen Anspruch auf Adoptionsurlaub. Das Paar kann frei wählen, wer den Urlaub nimmt, oder sogar beschliessen, den Urlaub auf beide aufzuteilen. Die Aufteilung setzt jedoch voraus, dass beide Elternteile die oben genannten Bedingungen erfüllen. Der Urlaub gibt Anspruch auf ein Guthaben von 14 Tagen, das in Form von einzelnen Tagen oder als Ganzes genommen werden kann. Der Urlaub muss innerhalb eines Jahres nach der Übernahme des Adoptivkindes genommen werden. Das Taggeld wird täglich in Höhe von 80% des durchschnittlichen versicherten Lohns ausbezahlt. Dasmaximale Taggeld beträgt Fr. 196.–. Arbeitgeber muss Reglement anpassen Diese neue Regelung ist von Rechts wegen anwendbar und erfordert keine zusätzlichen vertraglichen Vereinbarungen. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers, sein Reglement und allfällige bereits bestehende Urlaube entsprechend diesem neuen Recht zu organisieren. Die Neueinführung dieses Urlaubs bedeutet nicht, dass die alten, vom Arbeitgeber gewährten Rechte automatisch verfallen, das eine kann neben dem anderen bestehen und die beiden Rechte können gemeinsam gewährt werden. (Sarah Amat)
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