29 11 / 2023 FAHRZEUGE UND TECHNIK ETH-STUDIE ZUR DEKARBONISIERUNG DES LASTWAGENVERKEHRS «Betriebskosten sind entscheidend» Womit fahren Lastwagen in Zukunft? ETH-Forschende haben in einem Modell untersucht, welche Technologien sich im Lastwagenverkehr bis 2035 durchsetzen. Die Ergebnisse sind gemäss Studienautoren ernüchternd: Ein Grossteil der schweren Lastwagen würden demnach weiterhin mit Diesel oder Flüssigerdgas angetrieben. «Ohne politische Massnahmen zur Dekarbonisierung des Schwerverkehrs sind grüne Technologien chancenlos», erklärte dazu Tobias Schmidt, Professor für Energie-und Technologiepolitik an der ETH Zürich und Mitautor der Studie, die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist. Die Studie berücksichtigt drei Gewichtsklassen mit verschiedenen Fahrprofilen: Kleintransporter mit rund 3,5 Tonnen und 75 Kilometern Strecke pro Tag, mittelschwere Laster mit rund 7,5 Tonnen und 200 Kilometern sowie schwere Lastwagen mit rund 32 Tonnen und 600 Kilometern am Tag – jeweils ohne Laden oder Tanken. Der Erfolg einer Technologie hänge davon ab, wie viel sie verglichen mit Verbrennern über die ganze Lebensdauer kostet. In vielen europäischen Ländern seien batteriebetriebene Kleintransporter und mittelschwere Lastwagen bereits heute günstiger als Diesel-Fahrzeuge. Bei den schweren Lastwagen sehe es indes anders aus: Diesel und Flüssigerdgas seien weiterhin die günstigsten Treibstoffe, grüner Wasserstoff sei die teuerste Option. Nur in der Schweiz seien schwere Lastfahrzeuge, die mit Batterien oder grünem Wasserstoff angetrieben werden, schon jetzt günstiger. Dies, weil sie derzeit von der LSVA befreit seien – also dank einer wirkungsvollen politischen Massnahme. Welche Technologien künftig mit welchen Massnahmen in Europa gefördert werden, ist offen. Die Doppelstrategie von Daimler Truck, die auch H2-Lastwagen beinhaltet, ist trotz dieser Studienergebnisse nachvollziehbar. Die Eignung für «sehr flexible und besonders anspruchsvolle Anwendungen» liegt wegen der besseren Transportier- und Speicherbarkeit des Wasserstoffs auf der Hand. Und: Die Pläne für eine eigentliche Wasserstoffwirtschaft für die Industrie sind sehr konkret. Davon könnte auch der Lastwagenverkehr profitieren. Daniel von Känel Während kürzlich der neue Mercedes-Benz eActros 600 mit rein batterielektrischem Antrieb vorgestellt wurde (siehe S. 16 in dieser Ausgabe), hat ein Prototyp des MercedesBenz GenH2 Truck eine Strecke von 1047 km zurückgelegt – mit einer Tankfüllung flüssigem Wasserstoff. Angetrieben von einem Brennstoffzellensystem und ausgestattet mit einem Flüssigwasserstoff-Tanksystem, absolvierte er die Fahrt voll ausgeladen und mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen unter realen Bedingungen, ohne während der Fahrt CO2 auszustossen. Die Rekordfahrt mit plombierten Tanks und kontrollierten Kilometerständen sei von unabhängiger Seite durch eine Inspektionsurkunde von TÜV Rheinland bestätigt worden, teilt Daimler Truck dazu mit. Höhere Energiedichte «Bei der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebe bevorzugt Daimler Truck auf lange Sicht flüssigen Wasserstoff», sagt das Unternehmen. Der Energieträger habe in diesem Aggregatzustand im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff eine deutlich höhere Energiedichte bezogen auf das Volumen. «Dadurch kann mehr Wasserstoff transportiert werden, was die Reichweite deutlich erhöht und so eine vergleichbare Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs mit der eines konventionellen Diesel-Lkw ermöglicht», so Daimler Truck. Daimler Truck verfolgt das Ziel der Dekarbonisierung mit einer Doppelstrategie, die wasserstoff- und batteriebetriebene Fahrzeuge beinhaltet. Batterieelektrische Lastwagen seien dabei die richtige Wahl für den Verteilerverkehr sowie für den Fernverkehr bei regelmässigem Einsatz auf planbaren Strecken mit geeigneten Entfernungen und Lademöglichkeiten. Wasserstoffbasierte Antriebe könnten insbesondere «für sehr flexible und besonders anspruchsvolle Anwendungen im Schwerlastverkehr und im Fernverkehr die bessere Lösung sein». Darüber hinaus seien die Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur und die Verfügbarkeit von ausreichend grünem Strom und grünem Wasserstoff entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung auf emissionsfreie Technologien. «Daimler Truck ist der Überzeugung, dass eine zügige und kostenoptimierte Abdeckung dieses Energiebedarfs nur mit beiden Technologien möglich ist», hält das Unternehmen fest. TEXT: DANIEL VON KÄNEL FOTO: DAIMLER TRUCK Rekordfahrt mit H2-Lastwagen Daimler Truck verfolgt Doppelstrategie mit Brennstoffzelle und Batterie
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