E-Turbo: Wohin gehts? – Vorteile und Herausforderungen

Fahrzeuge und Technik

Wer schon Elektrolastwagen gefahren ist, weiss, nur fliegen ist schöner. Bevor der Lastwagen wirklich fliegt, müssen noch einige Probleme gelöst werden. Ausserdem kann im Transport nur bestehen, was ökologisch und ökonomisch aufgeht. Ein schöner Tesla lässt sich mit dem privaten Sackgeld wohl noch zahlen und muss nicht rentieren. Eine nicht rentable Lastwagenflotte frisst die Kasse aber schnell leer und führt zum Untergang der Firma.

Die Fahrzeugtechnik ist inzwischen so weit, dass Elektrofahrzeuge zuverlässig bewegt werden können. Vom Zweiachs-Sattelschlepper bis zum 5-achsigen Betonmischer ist bald alles machbar. Wo macht es am meisten Sinn? Am effizientesten ist ein elektrischer Antrieb, wenn auf der Fahrt möglichst viel Bremsenergie zurückgeholt werden kann. Dies ist interessant im Kurzstreckenverkehr, in Städten, auf dem Land oder bei einer hügeligen Topografie. Wer bereits mit dem Diesel kaum bremsen muss, hat weniger Vorteile. Bei langen flachen Autobahnetappen auf der A1 gibt es eher wenig Bremsenergie zurückzugewinnen. Der Strom wird vom Luftwiderstand weggefressen.

Kurze Strecken, viele Kilometer

Sinn macht ein Elektroantrieb im Verteilerverkehr auf Kurzstrecken im Umkreis von rund 50–100 km von der Heimbasis. Zu viel Autobahn ist eher abträglich. Denkbar dafür ist der Verkehr im Detailhandel zwischen Betriebszentrale und Laden oder Stückgutdistribution. Von den Strecken wären auch Kippertransporte denkbar, es bestehen aber noch keine geeigneten Fahrzeuge. Von Vorteil ist, wenn das Fahrzeug trotz Kurzstreckeneinsatz möglichst Kilometer macht. LSVA spart man nur, wenn Kilometer gemacht werden und keine Rechnung kommt. Zudem: Was neu ist, sollte gebraucht und amortisiert werden.

Eine andere sinnvolle Anwendung sind Fahrzeuge zum hauptsächlichen Einsatz in Wohngebieten, um die Lärmbelastung und den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Dazu gehören Kehrichtsammelfahrzeuge. Viel Energie lässt sich beim Bremsen nicht zurückgewinnen, zudem schlucken die Antriebe des Aufbaus auch einigen Strom. Die Kilometerleistungen sind sehr tief und daher sind auch die LSVA-Einsparungen eher mager. Ist der Auftraggeber bereit, die höheren Kosten aufzubringen, steht dem aber nichts im Wege. Wer schon elektrisch fährt, kennt eigentlich den ganzen Tag nur eine Sorge: Wie lange hält meine Batterie, wo kann ich wieder aufladen und wie lange geht das? In der Batterie sollten immer 20% verbleiben und man sollte sie nicht über 80% laden. Wer die Batterie leer fährt, hat verloren. Man kann nicht mit dem Kanister oder aus einer anderen Batterie nachtanken. Die Folge ist: Abschleppen und der Tag ist gelaufen. Elektrolastwagen können nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn die Fuhren geplant sind. Die Folge ist, dass man jeden Tag etwa die gleiche Arbeit haben sollte und weiss, wo man nachladen kann und wo das Fahrzeug nächste Nacht wieder voll aufgeladen wird.

Die Angaben über mögliche Reichweite sind grundsätzlich optimistisch. Einen Zweiachs-Sattelschlepper bekommt man heute mit rund 600 kWh Batteriekapazität. Damit lassen sich unter Last und optimalen Bedingungen auch 500 km fahren. Dazu wird die Batterie von 100% auf 0% leer gefahren. Zu den optimalen Bedingungen gehört: keine hohen Geschwindigkeiten (nicht 89 km/h), viel Überland- und Innerortsverkehr, möglichst kein Einsatz der Scheibenbremsen, ein ausgefuchster Eco-Drive-Fahrer und einigermassen warme Temperaturen. Im Alltagsbetrieb und bei Wintertemperaturen bleiben rund 400 km nutzbar – für Verteilerverkehr sinnvoll, für Langstreckenverkehr undenkbar. Die Gewichte wurden vom Gesetzgeber inzwischen so angepasst, dass für Elektrofahrzeuge höhere Gesamtgewichte zugelassen werden und Nutzlast vergleichbar mit anderen Antrieben vorhanden ist.

Wasserstofffahrzeuge werden vermutlich als Nebenentwicklung für Spezialanwendungen in die Geschichte eingehen. Die Bereitstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse ist unglaublich energieintensiv oder Wasserstoff wird aus Erdöl produziert, was keineswegs CO2-neutral ist. Die Komprimierung und Verteilung ist zusätzlicher, grosser Aufwand.

Ist der Einsatz von Elektrofahrzeugen sinnvoll, besteht eine weitere Hürde. Wo kann ich laden und zu welchem Preis? An einer üblichen Steckdose kostet Strom rund Fr. 30.– pro kWh, je nach Anbieter mehr oder weniger. Grossabnehmer mit mehr als 100 000 kWh können am freien Strommarkt einkaufen. Mit zwei bis drei Lastwagen überschreitet man diese Hürde. Infolgedessen sind die Preise tiefer, aber auch schwankender. Billigen Strom gibt es im Sommer, im Winter wird es nur wenig günstiger.

Ist die Batterie leer, muss geladen werden. An der Autobahn stehen inzwischen Schnellladestationen, die bis zu 350 kW hergeben. Stimmen die Temperaturen und verträgt es die Batterie, kann eine leere Batterie in 3,5 Stunden geladen werden. Wer sich an die Limiten 30% / 80% hält, wäre schon nach einer Stunde wieder reisefähig. Allerdings muss dann auch die Ladesäule genug Anschlussleistung haben und den Strom auch erhalten. Stehen nebenan noch andere Fahrzeuge, kommt es vor, dass die Leistung für alle nicht ausreicht und die Geräte den Strom mit weniger Leistung verteilen. Zudem ist der Strom an öffentlichen Geräten teuer. Grundsätzlich zahlt man Fr. 0.60 pro kWh. Am sinnvollsten und günstigsten ist es, Lastwagen an der eigenen Ladesäule im Betrieb zu laden. Das kostet etwa die Hälfte. Um den Verbrauch zwischen Elektro und Diesel zu vergleichen: 5 kWh entsprechen etwa 1 Liter Diesel.

Die Kalkulation ist hochinteressant. Sie spricht für Elektrofahrzeuge, wenn viele Kilometer gemacht werden. Dies funktioniert vor allem, weil die LSVA wegfällt. Ab 60 000 km Jahresfahrleistung lohnt sich die Investition. Wer zudem sehr viel an der eigenen Ladestation Strom beziehen kann, ist stärker im Vorteil. Stromenergie an externer Ladestation kostet bedeutend mehr als Diesel. Wer hauptsächlich extern auflädt, muss mehr als 400 km pro Tag machen, um einen Vorteil zu haben.

Stromanschluss ist entscheidend

Die Kunst wird es sein, für seinen Betrieb einen genügend starken Stromanschluss zu haben, um Fahrzeuge zu laden. Ein gut genutztes Fahrzeug wird jede Nacht 400 kWh brauchen. Die meisten Kleinbetriebe haben noch keinen Anschluss, der das hergibt. Die Elektrizitätswerke stehen teils auch vor Herausforderungen, da nicht in jeder Industriezone genügend Leistung vorhanden ist. Dazu müssen neue Leitungen gezogen werden. Wer nicht jetzt schon anfängt, wird die notwendige Leistung nicht rechtzeitig haben. Wer an den Wechsel auf Elektrofahrzeuge glaubt oder Angst davor hat, sollte zügig damit anfangen. Es ist wie mit anderen wichtigen strategischen Entscheidungen: Man sieht erst in 10–15 Jahren, wer richtig gelegen hat und die Entwicklung vorausgesehen hat. Wer es nicht vorausgesehen hat, ist verschwunden. 

Text: David Piras 
Foto: DVK
Grafik: DP / RR