Weil der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich ist, stellt die Betreiberfirma RAlpin Ende 2025 die «Rollende Autobahn», früher auch «Rollende Landstrasse», ein. Lastwagen können also nicht mehr in Grenznähe für den Transit durch die Schweiz auf die Schiene verladen werden.
Aus trotz Finanzspritze des Bundes
RAlpin verkündete diesen Entschied wie folgt: «Die RAlpin AG steht vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Trotz der laufenden finanziellen Abgeltungen des Bundes, einer vorhandenen Nachfrage und guter Auslastung von 80 Prozent ist der Betrieb der ‹Rollenden Autobahn› nicht mehr wirtschaftlich möglich.» Der Bund stellte vor zwei Jahren noch 106 Millionen Franken zur Verfügung, damit der Betrieb bis 2028 weitergeführt werden kann. Dass nun Ende Jahr Schluss ist, führt RAlpin auf Zugausfälle wegen infrastruktureller Probleme zurück. «Bereits 2024 fielen rund 10 Prozent der Züge aus. Der Grund waren geplante sowie kurzfristig angeordnete Baustellen und weitere unvorhersehbare Ereignisse. Dies führte 2024 zu einem negativen Ergebnis von rund –2,2 Millionen Franken. Im 1. Quartal 2025 konnten wegen Bauarbeiten im Vergleich zum Vorjahr rund 20 Prozent weniger Züge gefahren werden; statt 1018 Züge im 1. Quartal 2024 sind dieses Jahr in der gleichen Zeitperiode nur deren 794 gefahren.»
Da eine Normalisierung nicht in Sicht sei, habe man sich dazu entschieden, den Betrieb der «Rollenden Autobahn» einzustellen, heisst es schliesslich.
Immer weiter weg vom Ziel
Dieser Entscheid fällt in eine Zeit, in der die Transitfahrten mit Lastwagen durch die Schweiz am Zunehmen sind – und zwar seit einigen Jahren, nicht erst seit 2024, dem Jahr mit den genannten Einschränkungen. Die «Rollende Autobahn» ist aber ein Grundpfeiler der Alpeninitiative, die vom Schweizer Stimmvolk 1994 angenommen wurde. Sie enthält als Ziel die Obergrenze von 650 000 Lastwagen, die jährlich die Alpen queren dürfen. Von diesem Ziel sind wir nicht nur entfernt, wir entfernen uns sogar wieder. Im vergangenen Jahr fuhren 960 000 Lastwagen auf der Strasse durch die Schweizer Alpen, das sind 44 000 mehr als 2023. «Der Bahnanteil ging wegen zahlreicher Baustellen von 72 auf 70,3 Prozent zurück», schreibt das Bundesamt für Verkehr (BAV) in seinem neusten Bericht zum alpenquerenden Güterverkehr, der im März veröffentlicht wurde.
Baustellen im Ausland
Aus dem Bericht des BAV geht auch hervor, wo sich die grössten Baustellen, die den alpenquerenden Schienenverkehr ausbremsten, befanden. «2024 gab es auf dem Nord-Süd-Schienenkorridor ausserordentlich viele baustellenbedingte Einschränkungen», heisst es im Bericht. Und: «Einschneidend war im Sommer die dreiwöchige Totalsperrung der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Leistungsfähige Alternativstrecken ohne massive Umwege standen nicht zur Verfügung. In Italien waren letztes Jahr zudem die Luino-Strecke und die Strecke Milano–Domodossola längere Zeit gesperrt.» Das ist eigentlich keine Überraschung, eher ein sich fortsetzender enttäuschender Zustand. Zwar hat Italien, auch mit finanzieller Unterstützung der Schweiz, bei den Zufahrtsstrecken zur NEAT vorwärtsgemacht. Vor allem Deutschland ist aber sehr stark im Verzug mit dem Umsetzen des Vertrags von Lugano. In diesem Staatsvertrag verpflichteten sich die Schweiz und Deutschland, die nötige Infrastruktur für einen leistungsfähigen Eisenbahnverkehr zwischen beiden Ländern zu schaffen. Die Schweiz hat bekannterweise für 23 Milliarden die NEAT gebaut und damit das anspruchsvollste Stück einer transeuropäischen Eisenbahnstrecke von Nord nach Süd geschaffen. Der Beitrag Deutschlands ist der Ausbau der Strecke Basel–Karlsruhe auf vier Gleise, weswegen es auch zur Sperrung letztes Jahr kam. Aber: Bis der Anschluss an die NEAT im Norden fertig ist, dauert es voraussichtlich noch bis 2041, heisst es aus Deutschland. Unter Berücksichtigung anderer neuzeitlicher Infrastrukturbaustellen beim nördlichen Nachbarn liegt man wohl nicht falsch, wenn man dieser Prognose noch ein halbes oder ganzes Jahrzehnt beifügt – Irrtum nicht ausgeschlossen und positive Überraschungen immer willkommen. Vielleicht gibt es sogar eine Alternativroute durch Frankreich; Schweizer Verkehrspolitiker führten jedenfalls schon mit Frankreich Gespräche dazu. Doch dies wird wohl nur gehen, wenn sich die Schweiz am Ausbau der linksrheinischen Strecke beteiligt.
Schlecht für alle
Das ist alles Zukunftsmusik. Spürbar wird die Einstellung der «Rollenden Autobahn» schon ab 2026. Pro Alps (vormals Verein Alpeninitiative) befürchtet «eine neue Lastwagenflut im Nord-Süd-Transitverkehr.» Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV bedauert, dass Personal betroffen ist, und nennt die Einstellung verkehrs- und klimapolitisch bedenklich. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) bedauere die vorzeitige Einstellung, wie der «Tagesanzeiger» berichtete. Damit möglichst viele Transporte weiterhin per Bahn erfolgen könnten, plane man unter anderem, die frei werdenden Mittel zur Förderung des unbegleiteten Güterverkehrs auf der Schiene einzusetzen. Und für Chauffeure im Binnenverkehr wird es nochmals ein Stück enger – auf der Autobahn wie auf Rastplätzen.
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Text: Daniel von Känel
Fotos: Wiki, DVK