Flüssig-H2 hart im Test – Mercedes erprobt seinen GenH2

Fahrzeuge und Technik Ausgabe-10-2025

Brennstoffzellen-Lastwagen sollen von Mercedes-Benz zwar frühestens zum Beginn der neuen Dekade in Serie angeboten werden, dazu durchlaufen die Fahrzeuge jedoch unterschiedliche Erprobungen, wie in den Schweizer Alpen oder im Logistik-Einsatz.

Der Einsatz von Wasserstoff im Transportsektor gehört zu den diversen Technologien, mit denen die Antriebs- und Energiewende vollzogen wird. Wie präsent schliesslich aber die Brennstoffzelle künftig sein wird, darüber herrscht vorerst noch eine gewisse Unstimmigkeit, nicht zuletzt wegen der stark gestiegenen Energiepreise. Tatsache ist, dass in der Schweiz seit fünf Jahren der Wasserstoff-Kreislauf auf Basis der Hyundai-LKW Xcient Fuel Cell die technische Praxistauglichkeit tagtäglich vor Augen führt und zunehmend auch im benachbarten Ausland aufgezogen wird. Inzwischen arbeiten weltweit praktisch alle Lastwagenhersteller an Technologien zum Einsatz von Wasserstoff, wobei in vielen Fällen Konkurrenten begonnen haben, an der Entwicklung der Kerntechnologien intensiv zusammenzuarbeiten. Beispielsweise ist die deutsche Firma Cellcentric, die Brennstoffzellen für den Lkw-Einsatz entwickelt, ein 50:50-Joint-Venture von Daimler Truck und von der Volvo Group.

Neue Herausforderung: Flüssig-H2

So setzen denn auch die GenH2-Erprobungsfahrzeuge von Mercedes-Benz Trucks – wie jene von Volvo Trucks – auf die Cellcentric-Brennstoffzellen. Bei Mercedes kommt als Spezialität jedoch dazu, dass der Wasserstoff nicht in gasförmigem Zustand mitgeführt wird, wie dies bei allen anderen OEM und somit auch bei Hyundai der Fall ist, sondern in flüssiger Form. An der Funktion der Brennstoffzelle ändert dies jedoch nichts, denn der Wasserstoff wird für die Herstellung von elektrischer Energie im Lastwagen in jedem Fall gasförmig verarbeitet, muss bei Mercedes also zuerst umgewandelt werden.

Flüssigwasserstoff ist auf minus 253 °C tiefgekühlt. Ähnlich wie LNG und Erdgas kann auf diese Weise deutlich mehr Energie mitgeführt werden, was beim GenH2 mit zwei 40-kg-Tanks Reichweiten von 1000 km ermöglicht, bei Diesel-ähnlichen Betankungszeiten von 10 bis 15 Minuten. Übrigens lässt sich flüssiger H2 gemäss Daimler relativ einfach in gasförmigen Wasserstoff umwandeln. Das ermöglicht es, dass sich an einer Tankstelle mit Flüssig-H2 mit entsprechender Technik auch FCEV-Fahrzeuge mit Gastanks und 350 oder 700 bar betanken lassen würden. Und um diesen Umgang mit Flüssig-H2 weiterzuentwickeln, hat Mercedes-Benz fünf Prototypen des GenH2 in die Kundenerprobung bei Logistikpartnern geschickt. Es waren dies die Firmen Air Products, Amazon, Holcim, Ineos und Wiedmann & Winz.

Für diese Erprobungen wurde neben einer Tankstelle beim Testgelände von Daimler Truck bei Wörth eine weitere Tankstelle im Raum Duisburg errichtet. Über die Erprobungsphase wurden gesamthaft 285 Betankungsvorgänge vorgenommen und die Lastwagen haben mit der gebunkerten flüssigen Energie 225 000 km im realen, aber je nach Firma sehr unterschiedlichen Logistikeinsatz zurückgelegt; das entspricht rund fünf Erdumrundungen. Mit Diesel-Lkws wären dabei rund 154 t CO2 ausgestossen worden. Durch die intensive Nutzung der beiden Flüssig-H2-Tankstellen konnte der neuartige Betankungsprozess weiter optimiert werden.

Höhentauglich

Für die Erprobung der eigentlichen Fahrzeugtechnik hat Daimler Truck in der Schweiz einen Teil seiner Sommererprobung durchgeführt. Im Wallis wurden vier Prototypen über die anspruchsvollen Passstrassen zwischen 600 und knapp 2480 Metern über Meer «gejagt», wobei eine mobile Flüssig-H2-Tankstelle von Air Products die Treibstoffversorgung sicherstellte. Die Herausforderung auf diesen Strecken ist die Kombination aus hochsommerlichen Temperaturen (teilweise über 35 °C) und dünner Höhenluft, welche auf den besonders fordernden Streckenprofilen die Fahrzeuge an die Grenzen ihrer Kühlleistung und ihres Wärmemanagements bringen. Insgesamt haben die vier Prototypen über mehrere Wochen über 10 000 km und 146 000 Höhenmeter absolviert. Unter diesen herausfordernden Bedingungen zeigten die Systeme eine stabile und zuverlässige Performance.

Grundsätzlich ging es im Wallis u. a. um die Leistungsfähigkeit des elektrischen Antriebs und des Thermomanagements, aber auch um das Zusammenwirken von Brennstoffzelle, Hochvoltbatterie und Tanksystem. Auch die Weiterentwicklung der Predictive Powertrain Control PPC stand im Zentrum. Mit ihr sollen mit geobasierten Streckendaten bevorstehende Steigungen erkannt werden. Die Brennstoffzelle soll dann frühzeitig die Leistung erhöhen und die Hochvoltbatterie laden, damit im Anstieg genügend Leistung bei bestmöglicher Effizienz bereitsteht.

Erste Kleinserie

Der nächste Schritt ist der Bau einer Kleinserie von 100 weiterentwickelten GenH2-Sattelzugmaschinen, die ab Ende 2026 bei verschiedenen Kunden in den Praxisbetrieb gehen sollen. Sie sollen die grossflächige Industrialisierung in den frühen 2030er-Jahren vorbereiten. Und die fünf Logistik-Prototypen sind inzwischen bei neuen Unternehmen in den Logistikeinsatz gestartet, wo sie weiter zur kundengerechten Entwicklung der Wasserstoff-Trucks beitragen helfen sollen.

Text: Martin Schatzmann

Fotos: Daimler & MS