Ausbau des E-Portfolios – Mercedes lanciert neuen eActros 400

Fahrzeuge und Technik Ausgabe-09-2025

Auch im eActros mit traditionellem Fahrerhaus kommt die moderne Batterie- und Antriebstechnologie des futuristischen eActros 600 (hinten) zum Einsatz.

Nach der erfolgreichen Lancierung des Elektro-Flaggschiffs eActros 600 rollt Mercedes-Benz nun die Technologie auf bestehende und zusätzliche Modelle aus. Zuerst kommt der eActros 400, der Baustellen-Truck eArocs 400 folgt danach. Zugleich investiert Daimler Truck stark in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge.

Seit Herbst 2021 produziert Mercedes-Benz Elektro-Lastwagen. Zuerst die Fahrgestelle eActros 300/400, im Jahr danach den vor allem für die Abfallsammlung beliebten eEconic. Richtig für Furore sorgte Mercedes mit der Vorstellung des technologisch deutlich effizienteren eActros 600, der nun seit Ende des letzten Jahres produziert wird. Mit einer Reichweite von über 500 km machte Mercedes den Elektro-Lkw langstreckentauglich.

Nun baut Mercedes sein Angebot an Elektro-Lastwagen aus und bietet Kerntechnologien aus dem eActros 600 auch in anderen Modellen an. Das erste Modell ist der eActros 400, wobei die Zahl im Namen stets Bezug auf die mitgeführte Batteriekapazität nimmt. Im eActros 400 sind es zwei Batteriepakete mit total 414 kWh Kapazität, im eActros 600 sind es drei mit total 621 kWh. Zu den Kerntechnologien, die aus dem eActros 600 in die neuen Fahrzeuge wandern, gehören neben der 800-Volt-Architektur hauptsächlich die Lithium-Eisenphosphat-Batterien LFP und die moderne E-Achse. Die LFP-Batterien sind nicht nur langlebiger als die oft (auch von Daimler Truck) benutzten NMC-Zellen, sondern sie ermöglichen die Nutzung von nahezu 95 % der Bruttokapazität.

Jetzt wird kombiniert

Die bislang eher eingeschränkte Auswahl an Konfigurationen beim eActros wird mit dem Ausbau des Portfolios deutlich vergrössert und deckt dank modularer Auslegung eine viel höhere Bandbreite an Einsatzprofilen ab. So kann bei den neuen E-Trucks zwischen dem bekannten Actros-Fahrerhaus (die sogenannte L-Kabine) und der futuristischen ProCabin gewählt werden. Zudem lassen sich mehr als 40 Kombinationen aus Kabinen und Fahrgestelllösungen generieren. Diese Umstellung bringt es zugleich mit sich, dass der bisherige eActros 300/400 Ende Jahr aus der Produktion genommen wird. Die bisherige NMC-Batterie wird dann noch als Ersatzteil weiter bestehen, aber auch im unverändert weiter produzierten eEconic eingesetzt.

Die Entscheidung für die passende Fahrzeugvariante hängt in erster Linie vom Einsatzprofil (Langstrecke oder schwerer Verteilerverkehr), den Frachtanforderungen, der verfügbaren Ladeinfrastruktur und natürlich den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Transporteurs ab. So verfügt der eActros 400 als Sattelzugmaschine gegenüber dem eActros 600 über eine zusätzliche Nutzlast von mehr als drei Tonnen. Der 600er bietet jedoch mit drei statt zwei Batterien eine höhere Reichweite. Entsprechend wichtig ist die seriöse vorgängige Verkaufsberatung.

Neben der 4×2-Sattelzugmaschine wird der eActros 400 auch als Fahrgestell mit unterschiedlichen Radständen gebaut, sowohl als 4×2 als auch als 6×2. Der eActros 600 wurde zu Beginn lediglich als Zugfahrzeug und als 6×2-Fahrgestell angeboten, wird nun aber ebenfalls um 4×2-Fahrgestelle und beim 6×2-Fahrgestell um diverse zusätzliche Radstände erweitert.

Alle neuen Modelle lassen sich mit bis zu 400 kW am entsprechend leistungsfähigen CCS2-Fastcharger laden. Zwei Batterien lassen sich so in 46 Minuten von 10 auf 80 % laden, bei drei Batterien dauert es rund 70 Minuten. Beim eActros 600 wird später auch das Megawatt-Laden ermöglicht, wobei Mercedes dafür lediglich Modelle mit der Langstrecken-ProCabin vorsehen will.

Zwei Fahrerhausvarianten

Die auf maximalen Komfort für lange Kabinenaufenthalte ausgelegte ProCabin dürfte wohl im Kurzstreckenbetrieb als suboptimal eingestuft werden. Im Verteilerverkehr, bei dem der Fahreralltag durch viele Stopps und oftmaliges Ein- und Aussteigen geprägt ist, bietet Mercedes das klassische Actros-Fahrerhaus an. Diese sogenannte L-Kabine ist lediglich 2,30 m breit, hat einen um 170 mm niedrigeren Einstieg und bietet eine bessere Direktsicht aufs oftmals sehr hektische Verkehrsgeschehen in der Stadt.

Beide Fahrerhäuser sind jedoch mit dem Spiegelkamerasystem MirrorCam ausgestattet und verfügen über das neueste digitale Cockpit. Mit dem «Multimedia Cockpit Interactive 2» ist der Truck noch vernetzter, aber auch noch intuitiver bedien- und konfigurierbar. Das System lässt sich per Sprachsteuerung, Touchscreen und Multifunktionslenkrad bedienen. Eine neue, unscheinbare Schiene unterhalb des Touchscreens ermöglicht es, die Hand für die zielsichere Bedienung abzustützen – sehr praktisch.

Auf E-Achse folgt E-Achse

Mercedes hatte von Beginn an beim eActros auf eine E-Achse gesetzt und diese auch selbst entwickelt und produziert. Dem Nachteil der Gewichtskonzentration steht die kompakte Bauweise gegenüber, welche mehr Raum im Chassis für zusätzliche Batterien schafft. Doch mit den neuen eActros-Varianten führt Mercedes nun die E-Achse aus dem 600er in den 400er-Modellen ein. Während die erste E-Achse zwei E-Maschinen und ein 2-Gang-Getriebe umfasste, sind es neu ebenfalls zwei E-Maschinen, aber ein 4-Gang-Getriebe. Der Fortschritt ist spürbar, denn die gleichmässige Kraftentfaltung des Elektroantriebs erhält eine breitere Spreizung und verhilft somit zu einem noch effizienteren Betrieb.

Bereits im vergangenen Frühling hatte Mercedes-Benz auf der Bauma in München die Elektrifizierung seiner Baustellenreihe in Form des eArocs 400 vorgestellt. Dieser wird ab kommendem Jahr erhältlich sein. Auch im eArocs 400 hält die 800-Volt-Architektur Einzug sowie die beständigen LFP-Batterien. Hingegen muss wegen der Bodenfreiheit auf die E-Achse verzichtet werden. Vielmehr wird im eArocs ein Antriebsstrang von Paul Nutzfahrzeuge mit Zentralmotor eingebaut. Mit 414 kWh Kapazität soll der 8×4 eArocs als Kipper eine Reichweite von 240 km bieten, in der Mischerversion von 200 km.

Parallel produziert

Mercedes-Benz produziert den eActros 400 und den eActros 600 in seinem Hauptwerk in Wörth am Rhein. Sie werden auf dem gleichen Montageband wie die Diesel-Pendants gebaut, werden am Ende des Bandes auf einem speziellen Hallenbereich in Betrieb genommen und durchlaufen dann wieder den gleichen Finish-Prozess und die Endabnahme wie alle übrigen Lastwagen. Beim bisherigen eActros 300/400 wurden die E-Trucks für die Montage der elektrischen Antriebskomponenten aus dem Fertigungsprozess der Diesel-Trucks ins nahe gelegene Future Truck Center gebracht.

Text: Martin Schatzmann
Fotos: Daimler Truck

 

Transformation

 

Wie DAF (Seite 26) betont auch Daimler Truck, dass die Antriebswende nur gemeinsam mit anderen Sektoren gelingen wird, und fordert die Kostenparität zum Diesel. Aber vor allem wird eine raschere Gangart beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert. Gerade deshalb arbeitet Daimler Truck auch selbst an der Ladeinfrastruktur, zum einen mit dem Joint Venture Milence, das europaweit eine Nutzfahrzeug-Ladeinfrastruktur aufbaut, zum anderen an halböffentlichen Ladestationen. Bei Letzteren sollen Transporteure darin unterstützt werden, wie sie ihre eigenen Ladesäulen auch «fremden» Lkw öffnen können. Darauf ausgerichtet erweitert Daimler die Dienstleistungen seines E-Truck-Service Truck Charge.

Martin Schatzmann

Daimler Truck Molsheim (F)

Spezialschmiede für die Extrawürste ist 25-jährig

 

Das französische Städtchen Molsheim, rund 30 km westlich von Strassburg, wird in Bezug auf den Automobilbau normalerweise mit dem Firmensitz von Bugatti in Zusammenhang gebracht, doch in Molsheim besitzt auch Daimler Truck ein Werk. 1967 für den Umbau von Personenwagen gegründet, werden seit 1991 auch Lkw umgebaut und vor 25 Jahren wurde Molsheim komplett zu einem Lkw-Standort, als das Werk zum Sitz der neuen Mercedes-Benz-Geschäftseinheit Custom Tailored Trucks CTT wurde. Heute werden in Molsheim vornehmlich die besonderen Lkw-Kundenwünsche umgesetzt, daneben aber auch die Unimog-Kabinen und Teile für Serien-Lkw gefertigt.

Das Spektrum der Arbeiten in Molsheim umfasst Verlängerungen und Verkürzungen des Radstandes, zusätzliche Achsen, Rahmenverstärkungen, Fahrerhausveränderungen und komplexe Umbauten für Schwerlast-Fahrzeuge. Neu sind individuelle Umbauten an Elektro-Lastwagen dazugekommen. Für die Umbauten werden möglichst viele Serienkomponenten verwendet, um Wartung und Reparatur dieser Fahrzeuge in den autorisierten Mercedes-Werkstätten durchführen zu können und um die Ersatzteilverfügbarkeit möglichst hochzuhalten.

In Molsheim sind gut 600 Mitarbeitende beschäftigt, für die Umbauten stehen 63 Umbaustandplätze zur Verfügung. CTT-Mitarbeitende sind jedoch auch am Stammwerk in Wörth am Rhein tätig und an sieben spezialisierten CTT-Partnerunternehmen in Deutschland. Auf diese Weise wolle Daimler Truck sicherstellen, massgeschneiderte Antworten für die immer besonderer werdenden Bedürfnisse der Kunden sicherstellen zu können, betont Marc Schulz, Geschäftsführer von Custom Tailored Trucks.

Martin Schatzmann