Bei Rot ärgern wir uns, bei Grün nehmen wir sie kaum wahr und bei Gelb geben wir manchmal noch Gas, obwohl wir eigentlich bremsen sollten. Ampeln, oder wie Fachleute sagen: Lichtsignalanlagen, sind ständige Begleiter im Verkehr. Egal, ob wir mit Lastwagen, Auto, Fahrrad oder zu Fuss unterwegs sind. Ohne sie wären Chaos und Unfälle vorprogrammiert, denn sie dirigieren den Verkehr und sorgen so für Ordnung und Sicherheit.
Jede Ampel ist anders
Auch wenn sie uns alle gleich erscheinen: Jede Ampel ist ein Unikat. Sie wird individuell programmiert – je nach Verkehrsdichte, Topografie und Verkehrsaufkommen. Fachleute sprechen von einem Signalzeitenplan, der die sogenannten Umläufe steuert. Ein Umlauf ist die Zeitspanne, in der alle Signalphasen – also Grün, Gelb und Rot – über alle Spuren einmal vollständig ablaufen. Je nach Komplexität dauert das bis zu zwei Minuten. Währenddessen sorgt die Steuerung im Hintergrund dafür, dass sich keine Fahrspuren in die Quere kommen. Und das ist keine Kleinigkeit – an grösseren Kreuzungen laufen gleichzeitig mehrere Programme, die den Verkehr in alle Richtungen regeln.
Sicherheit steht an erster Stelle
Das oberste Ziel jeder Lichtsignalanlage ist die Verkehrssicherheit. Erst danach folgen Optimierungen für den Verkehrsfluss: Rot- und Grünphasen werden so verteilt, dass die Anlage das Maximum aus jedem Verkehrsknoten herausholt. Dabei werden grundsätzlich alle Mobilitätsteilnehmenden gleichberechtigt behandelt. Es gibt aber auch Ausnahmen: Um die Fahrplanstabilität und Umsteigebeziehungen zwischen Bus und Bahn sicherzustellen, haben Linienbusse und Trams an manchen Ampeln Vorrang und gelangen dank speziellen Schaltungen schneller über die Kreuzung oder den Kreisel. Auch eine grüne Welle ist möglich: «Wenn irgendwo ein Bus oder ein Tram im Fahrplan zurückliegt, kann das System den Umlauf abbrechen und eine Grünphase vorziehen», erklärt Stefan Brendel, Leiter Fachstelle Verkehrsmanagement der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD). Während Blaulichtfahrzeuge ihre Priorität meist mittels Sirene und Blaulicht erhalten, können für Grossveranstaltungen oder im Ausnahmefall spezielle Schaltungen aktiviert werden. So wird etwa das Ein- und Ausfahren auf Parkplätzen bei Veranstaltungen unterstützt. «Diese Sonderschaltungen werden von der Kantonspolizei vor Ort ausgelöst und wieder deaktiviert», so Brendel.
Ampeln sind Datensammler
Lichtsignalanlagen sind intelligent. Sie zeichnen nicht nur ihre eigenen Aktivitäten auf, sondern auch Rotlichtübertritte und Fahrzeugfrequenzen. Diese Daten nutzt das Tiefbauamt des Kantons Bern zur Verkehrsplanung. So lässt sich erkennen, wo sich der Verkehr staut oder welche Strassen besonders stark befahren sind.
Störung oder alte Ampel?
Wie bei anderen intelligenten Geräten kann es auch bei Lichtsignalanlagen zu Störungen kommen. Zwar werden diese jährlich umfassend geprüft, Rückmeldungen aus der Bevölkerung oder von Profis wie Chauffeuren werden aber ernst genommen und rasch bearbeitet. Wer also das Gefühl hat, dass eine Ampel zu lange auf Rot steht oder den Verkehr eher bremst als lenkt, ist beim jeweiligen kantonalen Tiefbauamt an der richtigen Stelle.
Die Anlage muss aber nicht defekt sein, wenn plötzlich alle Signale gleichzeitig auf Rot stehen. Es könnte sich um eine der sogenannten «Auf-Anforderung-Grün»-Anlagen handeln. Diese stehen standardmässig auf Rot und schalten erst bei Bedarf auf Grün, etwa wenn ein Fussgänger die Taste drückt oder ein Fahrzeug erkannt wird, das sich nähert.
Von diesen älteren Anlagen gibt es im Kanton Bern nur noch ein Dutzend. Sie werden nach und nach ersetzt. Der Grund: Solche Schaltungen führen bei vielen Verkehrsteilnehmenden zu einer Erwartungshaltung aus Routine – man rechnet automatisch damit, dass die Ampel gleich umspringt. Und genau das ist gefährlich. Denn im Verkehr ist Routine oft der grösste Feind der Aufmerksamkeit – und damit der Sicherheit.
Smarte Technik auf dem Vormarsch
Die heutigen Ampeln arbeiten mit schnelleren Prozessoren, komplexeren Steuerungen, mehr Sensoren und haben einen geringeren Energieverbrauch im Vergleich zu Vorgängermodellen. «Komplexe Verkehrsknoten lassen sich so deutlich besser steuern als noch vor zwanzig Jahren», bestätigt Brendel. Nebst den Lichtsignalanlagen haben sich jedoch ebenfalls die Fortbewegungsmittel verändert: «Früher hatten alle Fahrräder genug Metall, um sie induktiv zu erkennen. Bei Fahrrädern aus Carbon ist das mit unseren Sensoren eine Herausforderung», so der Verkehrsexperte. Könnte die künstliche Intelligenz da Abhilfe schaffen? Im Kanton Bern ist sie bislang noch nicht im Einsatz, das Tiefbauamt prüft aber laufend, was technisch machbar ist, und tauscht sich regelmässig mit den anderen Kantonen aus.
Richtiges Verhalten hilft allen
Künstliche Intelligenz könnte den Verkehrsfluss zusätzlich optimieren. Was auch ohne künstliche Intelligenz hilft: Bei Gelb bremsen, nicht beschleunigen. Bis an den weissen Haltebalken vorfahren. Und: Nie in die Kreuzung einfahren, wenn der Rückstau sie blockiert. Diese Tipps mögen banal klingen, aber: «Halten sich alle daran, löst sich ein Stau viel schneller auf», ist Brendel überzeugt. «Gerade Chauffeure sind als Vielfahrer ein wichtiges Vorbild im Strassenverkehr – umso wichtiger, dass sie das richtige Verhalten an Ampeln vorleben.» Lichtsignalanlagen lassen sich nicht durch irgendwelche Fahrmanöver austricksen. Umso mehr sollten wir sie als stille Dirigenten für ein unfallfreies Verkehrsorchester betrachten und ihrem Takt für einen flüssigen Verkehr folgen.
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Text: Fabienne Reinhard
Foto: Daniel von Känel
