Lastwagen sind inzwischen für beinahe alle Anwendungen auch mit Elektroantrieb zu erhalten, Tendenz steigend. Stadtbusse werden aktuell praktisch ausschliesslich als Elektroversionen ausgeschrieben, und der Anteil der elektrischen Stadtbusse wächst in ganz Europa und auch weltweit an. Bei den Überland- und Reisebussen hingegen war der Elektroantrieb in unseren Regionen noch kaum ein Thema – das ändert sich gerade. Auf diesen Herbst sind für die Busausstellung Busworld in Brüssel (4. bis 9. Oktober 2025) verschiedene Neuheiten angekündigt, welche die lokal emissionsfreie Fahrt ermöglichen sollen. Eine dieser Neuheiten kommt von Mercedes-Benz mit dem Überlandbus eIntouro.
Techniktransfer aus dem eActros
Im vergangenen Herbst hatte Mercedes erste Infos zum kommenden Fahrzeug veröffentlicht. Im Zentrum steht Technik aus dem Lkw-Flaggschiff eActros 600, mit seiner LFP-Batterie (Lithium-Eisen-Phosphat), die mit höherer Betriebsspannung (rund 800 Volt) und den spezifischen Eigenheiten von LFP eine Reichweite von bis zu 500 Kilometer ermöglichen soll. Als technische Basis dient dem eIntouro der herkömmliche, erst gerade neu aufgelegte Diesel-Intouro. Die für den Lkw sehr wichtige E-Achse gelangt jedoch aus verschiedenen Gründen im Bus nicht zum Einsatz. So ist die Baugrösse der E-Achse nicht mit der Fahrzeugstruktur des Busses kompatibel und sie kann auch nicht den für Busse gewünschten Federungskomfort bieten. Also nutzt Mercedes die Cetrax-332-Achse von ZF, mit 320-kW-Motor und integrierter 3-Gang-Automatik.
Batterie und Leistungselektronik werden zum grossen Teil im bisherigen Motorraum im Heck untergebracht, eine optionale zweite Batterie findet unterflur Platz. Je Batterie beträgt die Kapazität gut 207 kWh, wobei sie zwar etwas schwerer als die herkömmliche NMC-Batterie ist, aber deutlich mehr Ladezyklen verträgt und je nach Anwendungsfall bis zu 15 Jahre Lebensdauer aufweisen soll.
Angeboten werden sollen der eIntouro mit 12,18 m Länge und der eIntouro M mit 13,09 m. Je nach Bestuhlung bietet er eine Kapazität für 50 bis 63 Passagiere.
Einführung im kommenden Jahr
Erste Kundenfahrzeuge sind auf Frühling 2026 versprochen. Im Rahmen der regulären Erprobungen vor dem Serienstart hat Mercedes auch einen seriennahen eIntouro in die Schweiz gebracht. Eurobus hat im April das Fahrzeug auf seiner wohl bekanntesten Route, dem täglichen Rustexpress, getestet. Diese verbindet unter anderem den Firmensitz im zürcherischen Bassersdorf mit dem Freizeitpark. «Gemeinsam mit dem Europa-Park arbeiten wir an Konzepten, die Rustexpress-Fahrten noch klimafreundlicher zu gestalten», erklärt Thomas Knecht, Inhaber der Knecht Gruppe, zu der auch Eurobus gehört. «Unsere Shuttle-Einsätze umfassen eine einfache Streckenlänge von 200 bis 300 km mit mehrstündiger Wartezeit. Es bietet sich geradezu an, diese Wartezeit zu nutzen und die Stecke mit elektrischen Überlandbussen zu betreiben.»
Der Praxiseinsatz im April hat nun gezeigt, dass der Bus genügend Reserven hat, um auch bei kalter Witterung und laufenden Verbrauchern wie Heizung und Klimaanlage die Strecke problemlos zu bewältigen. Entsprechend kündigt Daimler an, dass eines der ersten Serienfahrzeuge den Dienst als Rustexpress bei Eurobus aufnehmen werde.
Text: Martin Schatzmann
Fotos: Daimler Buses
Erste Bestellung für Schwedens Hinterland
VOLVO 8900 ELECTRIC
Volvo Buses hat zwar die eigene Busproduktion komplett umgekrempelt, sich aber keineswegs aus dem Geschäftszweig zurückgezogen. So bieten die Schweden unter anderem eine neue Elektromobilitätsplattform an, die BZR-Plattform, welche als modulare Basis für die unterschiedlichsten Ansprüche dient. Darauf werden elektrische Stadt- und Überlandbusse aufgebaut, darunter auch der Volvo 8900 Electric. Von diesem Modell, das erst im Frühling 2024 vorgestellt worden ist, gemeinsam mit seiner BZR-Plattform, haben die Regionen Västmanland und Örebro (rund 200 km westlich von Stockholm) 60 Busse bestellt, die ab 2027 regionale Ortschaften emissionsfrei miteinander verbinden sollen.
Die Plattform ist mit hohem Boden und als Low-Entry-Versionen erhältlich, als 4×2 mit 12,3 m Länge und als 6×2 mit 14,9 m Länge. Die Batterie-Anzahl ist für Low-Entry und Bus mit hohem Boden gleich. Beim 4×2 können vier bis fünf Batteriepacks à 90 kWh (total 360 bis 450 kWh) gewählt werden, beim 6×2 sind es fünf bis sechs Packs (total entsprechend 450 bis 540 kWh). Die möglichen Reichweiten der Fahrzeuge werden noch nicht bekannt gegeben, doch lassen sich die Batterien entweder per CCS-Stecker laden oder mittels sogenanntem OppCharge mit Ladearm auf dem Dach. Die maximale Ladeleistung mit CCS beträgt 250 kW, jene mit OppCharge ist mit 450 kW deutlich höher.
Volvo Buses produziert die Kerntechnologie, also die BZR-Plattform, in den schwedischen Standorten Borås und Uddevalla. Anschliessend werden die Plattformen nach Ägypten zu MCV transportiert, wo im neu erstellten Werk der Karosserieaufbau und der Innenausbau erfolgen.
Martin Schatzmann
MAN zielt direkt auf den Reisebus
MAN LION’S COACH E 14
Die aktuellen Elektrifizierungsbemühungen ausserhalb der Stadtbusse konzentrieren sich meist auf Überlandlösungen, wie bei Mercedes-Benz eIntouro und Volvo 8900 Electric. Umso interessanter ist der Ansatz von MAN, indem direkt auf eine Reisebuslösung abgezielt wird. Wie in der letzten Routiers-Ausgabe bereits beschrieben, will MAN, wie Mercedes den eIntouro, seinen Lion’s Coach E 14 auf der Busworld von Brüssel (4. bis 9. Oktober 2025) vorstellen. Einen vertieften Einblick ins Projekt haben erste Kunden und Busjournalisten im türkischen MAN-Werk in Ankara erhalten (Bild).
Als technische Basis nutzt MAN seinen renommierten Reisebus Lion’s Coach und stattet ihn mit Elektrotechnik aus, die aktuell auf dem Markt mit den Lkw eTGS und eTGX ausgerollt wird. Im Lion’s Coach E sind Batteriekapazitäten zwischen 356 und 534 kWh möglich, mit einer Reichweite von bis zu 650 km. Per CCS-Stecker können die Speicher mit bis zu 350 kW geladen werden, später wird zudem Megawatt-Laden MCS möglich sein, mit bis zu 750 kW Ladeleistung.
Zum Serienstart 2026 kommt der Lion’s Coach E als kompakter, 13,9 m langer Dreiachser, der Platz für bis zu 61 Passagiere bietet, ohne Abstriche beim Gepäckvolumen. Schritt für Schritt soll das Angebot dann um weitere Versionen erweitert werden. Optisch soll der Lion’s Coach E übrigens durch sein Smart Flow Design ins Auge stechen.
Martin Schatzmann