Kapitel 815 geschlossen – Produktion Tatra 815 beendet

Fahrzeuge und Technik

Im T-815 brachte Tatra im Jahr 1997 die sogenannte King-Frame-Hinterachsaufhängung als Modell Terrn°1 auf den Markt.

In der Schweiz spielt die tschechische LKW-Marke Tatra nur in jener Nische mit, in der es um hohe Geländegängigkeit und um spezielle Ladekapazitäten geht. Am 25. Februar lief vom Modell T-815 nach über 40 Jahren in Produktion das letzte Exemplar vom Band. Diese Modellreihe bildet die Basis für die heutigen Tatra-Modelle, wie der Phoenix.

Aktuell setzt sich das Modellangebot des ältesten und heute einzigen tschechischen Lastwagen-Herstellers Tatra aus zwei modernen Modelllinien zusammen. Die Lösungen für besondere Anwendungen, unter anderem auch Feuerwehrfahrzeuge, nennen sich Force, der Phoenix wiederum ist vor allem für den Baustelleneinsatz konzipiert. Force und Phoenix waren beide im Jahr 2011 lanciert worden und beide wurden im vergangenen Jahr komplett überarbeitet. Der Phoenix wird auch in die Schweiz importiert, und zwar von der Wirag AG aus Rickenbach (seit 2016 off. Importeur für Tatra). Phoenix und Force profitieren von der langen Entwicklungsgeschichte des T-815 und sie sind unter anderem mit dem legendären Zentralrohrrahmen mit Pendelhalbachsen bestückt. Letzterer ist seit mehr als 100 Jahren das Markenzeichen von Tatra und sorgt für eine bemerkenswert gute Geländefähigkeit sowie eine besonders hohe Torsionssteifigkeit. Das auch als Tatra-Mobility bezeichnete Fahrwerk ist modular aufgebaut und ermöglicht eine Vielzahl an Chassislösungen, ganz nach Kundenbedürfnis. Ausschliesslich Allradantrieb ist eine weitere Spezialität der Tatra-Fahrzeuge, mit den Achskonfigurationen 4×4, 6×6 und 8×8.

Zeiten ändern sich

Die Wurzeln des T-815-Projektes reichen in die frühen 1970er-Jahre zurück, die eigentliche Serienproduktion startete jedoch erst 1983, nach schier unzähligen Prototypen. Mit der «8» in der Typenbezeichnung kommt die ursprünglich militärische Ausrichtung des Modells zum Ausdruck, denn mit der 8 wurden in der sozialistischen Nomenklatur ganz grundsätzlich Militärprojekte bezeichnet. Ergänzend zum T-815 wurde für landwirtschaftliche Zwecke auch das Modell T-157 lanciert, das aber nach kurzer Zeit ebenfalls im T-815 integriert worden ist.

Über viele Jahre hat Tatra seine Motoren, Getriebe und Kabinen selbst entwickelt und produziert. In den frühen 2000er-Jahren begann der Kostendruck vor allem von Investorenseite zu wachsen. Tatra begann, sich nach neuen Lösungen umzusehen. Zunehmend in die Kritik geraten waren die hohen Kosten für die eigenen V8-, V10- und V12-Motoren und Kabinen. Aber auch die gesetzlichen Vorschriften bezüglich Schadstoffausstoss und Sicherheit brachten die ursprünglichen Kon-struktionen an ihre Grenzen. So baut Tatra heute beispielsweise in die Phoenix-Modelle die modernen Sechszylinderdiesel von Paccar ein (MX-11 und MX-13) und verwendet im Phoenix ebenfalls die neusten Kabinen des niederländischen Herstellers DAF, der ebenfalls zum Paccar-Konzern gehört.

Grosse Vielfalt

Inklusive der sehr zahlreichen Prototypen hat Tatra vom T-815 zwischen 1977 und 2025 insgesamt 158 065 Fahrzeuge produziert. Neben dem Hauptstandort in Tschechien (Kopřivnice) wurde der T-815 auch in der Slowakei (Bánovce nad Bebravou) gefertigt. Über die Jahre durchlief das Modell diverse Modernisierungsetappen. Die erste fand sechs Jahre nach Produktionsstart statt, indem 1989 der T-815-2 eingeführt wurde. 1994 folgte das modernisierte Fahrerhaus im T-815-2 Modell 94 und 1997 lancierte Ta-tra die sogenannte King-Frame-Hinterachsaufhängung, in welcher in den Luftbälgen eine Spiralfeder integriert oder – für grössere Achslasten – die reine Luftfederung mit Spiralfedern kombiniert wird.

Feuer und Racing

Der T-815 wurde bis zum Schluss auch als Basisfahrzeug für reguläre und aussergewöhnliche Feuerwehrfahrzeuge benutzt, und der letzte T-815, der Ende Februar vom Band lief, war denn auch ein dreiachsiges Chassis für ein CAS-30-Feuerwehrfahrzeug des ebenfalls tschechischen Löschfahrzeugherstellers THT Polička. Dieses letzte Chassis wurde mit viertüriger Frontlenker-Doppelkabine (siehe Bild) ausgeliefert.

Seit knapp 40 Jahren dient der T-815 mit seinem hochgeländegängigen Fahrwerk auch als Basis für Rennsportveranstaltungen. Gut 30 Jahre war das Werksteam selbst an der Rallye Dakar unterwegs und blickt auf sechs Gesamtsiege und gesamthaft 18 Podestplätze zurück. Vergangenes Jahr stand Tatra zudem zuoberst auf dem Treppchen des Africa Eco Race.

Mit dem Produktionsende in Europa endet die Geschichte des T-815 jedoch nicht ganz. Das Fahrzeug wird in Lizenz in China und Indien weiterproduziert. Bereits 2023 fand der Technologietransfer nach Indien statt, wo nun die Geschichte des T-815 mit Frontlenkerkabine unter der Firma Beml fortleben wird.

Text: Milan Olšanský Truck of the Year

Fotos: Archiv