Maschine stopp! – Volvo erweitert I-Roll-System

Fahrzeuge und Technik Ausgabe-04-2025

Nochmals optimierte Aerodynamik und eine erweiterte I-Roll-Funktion gehören zu den Neuerungen beim neuen Jahrgang des Volvo FH Aero.

Mit der Aero-Kabine hat Volvo vor Jahresfrist für den Fernverkehr eine noch effizientere Version des FH lanciert. Nun bieten die Schweden dazu eine weitere aerodynamische Verbesserung sowie eine neuartige Erweiterung des vorausschauenden Tempomaten an. Bei Letzterem wird der Motor mit I-Roll nicht nur ausgekuppelt, sondern auch ganz ausgeschaltet.

Volvo Trucks gehört mit der Aero-Kabine zu jenen drei Lastwagen-Herstellern, welche aktuell die seit 2020 gültigen EU-Vorschriften zu Abmessungen und Gewicht berücksichtigen. Diese Vorschriften erlauben es unter anderem, zur Reduzierung des Luftwiderstandes von den bisherigen strengen Längenvorgaben der Lastwagen abzuweichen. So kann über die bislang maximal gültigen 16,5 Meter Fahrzeuglänge hinausgegangen werden, wenn dadurch effizienzsteigernde oder sicherheitsrelevante Massnahmen umgesetzt werden.

Erstmals genutzt hatte diese Regelung DAF im Jahr 2021 mit der neuen Modell-linie XF, XG und XG+ sowie später auch mit dem XD, und seither hat neben Volvo auch Mercedes-Benz reagiert, mit der Kabine des Actros L (siehe Seite 32 in dieser Ausgabe) und des eActros600.

Länge spart Energie

Die Volvo FH Aero-Kabine ragt um 239 mm nach vorne, womit geschwungenere Ecken und eine leichte Keilform ermöglicht werden. Damit wird der Luftwiderstand um bis zu elf Prozent gesenkt, was den Verbrauch entsprechend um bis zu fünf Prozent reduziert. Da dieser Effekt vor allem bei höherem Tempo wirkt, spielen diese Vorteile vor allem in der Langstreckenanwendung.

Nun nehmen sich die Schweden nochmals der Aerodynamik an. Die Anpassungen werden für die neusten Modelle des FH Aero 4×2 eingeführt und verbessern mit gezielten Massnahmen die Luftströmung rund ums Fahrzeug. Dazu werden die Abschlüsse der seitlichen Windleitbleche im Übergang zum Trailer und am Dachspoiler um einige Zentimeter verlängert. Die Massnahmen umfassen auch eine kleine Zusatzlippe an den Türen sowie Spezialblenden an den A-Säulen, welche helfen, den Luftstrom zu optimieren.

Dahinrollen mit Motor-Aus

Neben diesem luftigen Feinschliff bietet Volvo für Langstrecken-Modelle auch eine neue Funktion seines vorausschauenden Tempomaten I-See an. Dabei werden die Fähigkeiten des ökologischen Rollens – landläufig als Eco-Roll bezeichnet, bei Volvo I-Roll genannt – nochmals angehoben. Wie bisher erkennt der Lastwagen auf ebener Strecke und in leichtem Gefälle, wann die kinetische Energie gross genug ist, damit der Lastwagen ohne Motorunterstützung weiterfährt und der Antrieb vorübergehend ausgekuppelt werden kann. An diesem Punkt, an dem der Motor nur noch im Leerlauf läuft, setzt Volvo mit einem erweiterten Feature an.

Dieses neue Feature nennt sich offiziell I-Roll mit Start/Stopp-Funktion, wir sprechen in der Folge im Artikel aber von I-Roll mit Motor-Aus. Und wie es der Name impliziert, wird der Motor nicht nur abgekuppelt, sondern in bestimmten Situationen während der Rollphase ganz ausgeschaltet. Damit soll noch einmal an der Verbrauchsschraube gedreht werden. Zusammen mit der verbesserten Aerodynamik lässt sich mit der Motor-Aus-Funktion der Verbrauch um weitere knapp zwei Prozent verringern. Dies bringt in der Gesamtrechnung des LKW-Besitzers eine spürbare Verbesserung und zählt zudem positiv in der Vecto-Bewertung mit.

Wie I-Roll, aber besser

Wir haben die jüngste Neuerung auf der Jurasüdfuss-Strecke ausprobiert. Basis für die neue Funktionalität ist der bewährte 13-Liter-Turbodieselmotor D13. Es müssen ein paar Grundparameter erfüllt sein, damit die Funktion Motor-Aus auch aktiv ist. So muss der Truck mit mehr als 60 km/h unterwegs sein, der Eco-Modus ist aktiviert und der Motor ist schon etwas aufgewärmt; wer also am Morgen auf einem Autobahnparkplatz losfährt, braucht zuerst ein paar Minuten Geduld, bis Motor-Aus funktioniert. Zudem nutzt das System die Informationen des vorausschauenden Tempomaten, wobei Motor-Aus mit und auch ohne aktivierter ACC-Abstandsregelung funktioniert. In Kombination mit der aktiven Spurhaltung Pilot Drive funktioniert Motor-Aus allerdings nicht. In diesem Fall nutzt der Volvo FH Aero lediglich die bisherige I-Roll-Funktionalität mit ausgekuppeltem, aber nicht ausgeschaltetem Motor.

In der Fahrpraxis ändert sich kaum etwas, der Lastwagen schaltet selbstständig zwischen Vortrieb und Rollen hin und her. Dass der Motor aus ist, lässt sich lediglich am Drehzahlmesser erkennen, indem der Zeiger von etwas über 500/min unter diese Marke fällt. Da die Kabine sowieso schon sehr leise ist, fällt Motor-Aus auch akustisch nicht ins Gewicht. Auf der A1 von Egerkingen Richtung Bern und auch zurück registrierten wir teilweise minutenlanges Rollen mit ausgeschaltetem Motor. Baut der Lastwagen im Gefälle zu viel Schwung auf, wird natürlich die Motorbremse wie bisher aktiviert. Volvo startet den Motor bei rollendem Lastwagen ganz einfach durch einkuppeln. Das geschieht nahtlos und ist praktisch auch nicht spürbar.

Neben softwareseitigen Anpassungen baut Volvo für die Motor-Aus-Funktion eine zusätzliche Hydraulikpumpe für die Servolenkung ein. Diese Zusatzpumpe hat die Aufgabe, die Lenkung bei ausgeschaltetem Motor zu unterstützen. Neben den oben erwähnten Betriebsbedingungen von Motortemperatur und Mindestgeschwindigkeit werden auch andere Faktoren für Motor-Aus ständig überwacht. Zwei davon sind der Ladestand des 24-Volt-Bordnetzes, inklusive Batteriezustand, sowie die Luftdruckanlage.

Für uns ist das System eine gelungene Weiterentwicklung von Eco-Roll. Wer sich schon bisher nicht mit dieser Treibstoff-Sparfunktion anfreunden wollte, wird auch mit der Weiterentwicklung auf Kriegsfuss stehen, denn sie macht eigentlich das Gleiche wie bisher, spart nur noch mehr. Wer jedoch gewohnt ist, die Assistenzsysteme zu nutzen, dürfte sich über eine neue Funktionalität freuen. In der Fahrpraxis ändert sie auf jeden Fall nicht viel, ermöglicht aber noch bessere Verbrauchswerte und damit niedrigere Kosten.

Text und Fotos: Martin Schatzmann

 

General Safety Regulation GSR

Mehr Sicherheit für Fussgänger und Velofahrer

 

Die General Safety Regulation GSR der EU bringt diverse neue Assistenzsysteme ab Werk in die Lastwagen. Auch bei Volvo wächst der Systemumfang, wobei die Schweden ihre Systeme teilweise weit über die gesetzlichen Erfordernisse hinaus befähigen. So erkennt der aktive Abbiegeassistent nicht nur Velofahrer in der Abbiegespur und warnt den Chauffeur, gegebenenfalls bremst der Lastwagen auch selbstständig ab, wenn die Kollisionsgefahr zu akut wird. Auch das Notbremssystem für Frontkollisionen erkennt nun wie gefordert Fussgänger und Velofahrer, erfüllt aber bereits heute Rahmenbedingungen, welche erst ab 2028 gelten werden.

Martin Schatzmann