Tata übernimmt Iveco – Indisch-italienische Gemeinschaft

Fahrzeuge und Technik Ausgabe-07-2025

Tata Motors hat seine Nutzfahrzeugsparte kürzlich von den Pw abgetrennt. Die Palette und die geografische Abdeckung haben kaum Überschneidungen mit Iveco.

Keine Sommerflaute in der Nutzfahrzeugwelt – Anfang August haben Tata Motors aus Indien und die Iveco Group bekannt gegeben, sich zu einem Nutzfahrzeugunternehmen zusammenschliessen zu wollen. Beide Seiten sehen darin grosses Zukunftspotenzial.

Nach dem Blick zurück an den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen von Iveco (Routiers 6/25) fokussieren die Turiner wieder auf die Zukunft. In der gemeinsamen Vereinbarung wollen die Inder von Tata Motors die Italiener übernehmen und mit beiden Firmen in einem gemeinsamen Nutzfahrzeugunternehmen zusammengehen. Dieses würde zu einem globalen Schwergewicht in der Nutzfahrzeugbranche werden, mit einem weltweiten Absatzvolumen von bis zu 540 000 Lastwagen und Bussen. Zum Vergleich: Daimler Truck beispielsweise hatte im vergangenen Jahr global rund 460 000 Fahrzeuge abgesetzt, die Volvo Group rund 226 000 Fahrzeuge und Traton rund 305 000 Fahrzeuge. Der zu erwartende Umsatz soll zu 50 % in Europa erwirtschaftet werden und die verbleibende Hälfte zu 35 % in Indien und zu 15 % in Amerika.

Unter Vorbehalt, dass die Aktionäre von Iveco und die zuständigen Behörden der Übernahme zustimmen, wird erwartet, dass die nötigen Transaktionen bis Mitte 2026 abgeschlossen sein sollen. Dabei muss jedoch auch die im Vorfeld bereits angekündigte Veräusserung des Defence-Bereichs an den Rüstungskonzern Leonardo vollzogen sein.

Gemeinsam zu globaler Stärke

Tata Motors hatte erst vor Kurzem seine Nutzfahrzeugsparte von den Personenwagen abgespalten. «Die Akquisition von Iveco ermöglicht es der neuen Gruppe, sich auf wirklich globaler Ebene behaupten zu können», sagt Natarajan Chandrasekaran, Vorstandsvorsitzender von Tata Motors. Von Vorteil sind für Chandrasekaran die beiden strategischen Heimatmärkte (Indien, Europa). Darin kommt zum Tragen, dass die Unternehmen ein komplementäres Produktportfolio besitzen und keine nennenswerten Überschneidungen in der industriellen Struktur oder der geografischen Präsenz aufweisen. In der gemeinsamen Erklärung bekennt sich Tata zur strategischen Ausrichtung von Iveco, was insbesondere für Mitarbeitende, aber auch Lieferanten und Kunden eine positive Ankündigung ist. Entsprechend sollen die industriellen Strukturen und das Personal beider Firmen unverändert weitergeführt werden.

«Die Zukunftsaussichten der neuen Gruppe sind sehr positiv», sagt auch Suzanne Heywood, Vorsitzende der Iveco Group, «insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigungssicherheit und den Erhalt der industriellen Präsenz der gesamten Iveco Group.» Girish Wagh, leitender Direktor von Tata Motors, bezeichnet die Verbindung als «strategischen Meilenstein». Die Partnerschaft bekräftigt laut Wagh auch das Engagement für nachhaltige Transportlösungen: «Gemeinsam gestalten wir ein widerstandsfähiges und agiles Unternehmen, das bereit ist, den Wandel aktiv anzuführen.»

Und für Olof Persson, CEO der Iveco Group, erschliesst der Zusammenschluss mit Tata Motors neues Potenzial, um die industriellen Fähigkeiten weiter zu verbessern. «Die Innovation im Bereich emissionsfreier Transporte wird dadurch beschleunigt, ebenso der Ausbau der Präsenz in Schlüsselmärkten weltweit.»

Beispiel Jaguar Land Rover

Dass es Tata Motors mit der Ankündigung ernst meinen könnte, beide Firmen in ihren Strukturen bestehen lassen zu wollen, haben die Inder bereits in der Vergangenheit gezeigt. Seit Tata Jaguar und Land Rover im Jahr 2008 gekauft hat – richtig wäre eigentlich «gerettet hat» –, haben die Inder den Briten praktisch freie Hand in der Strategie mit ihren Marken gelassen und auch der Firmensitz ist noch heute unverändert in Grossbritannien. Im Nutzfahrzeugsegment ist übrigens eine ähnliche Situation beim niederländischen OEM DAF Trucks zu beobachten. Das US-amerikanische Mutterhaus Paccar hatte nach der Übernahme der damaligen Konkursitin DAF Trucks N.V. 1996 der DAF-Führungsriege in Eindhoven die weiterführende Strategie überlassen. Heute ist DAF ein mächtiger und innovativer Player im europäischen Nutzfahrzeuggeschäft, der beispielsweise mit der frühen Integration neuer EU-Vorschriften zu Massen und Gewichten die Konkurrenz überrumpelt hatte. Zudem ist DAF heute auch für die Motorenentwicklung für Paccar zuständig.

Als Teil von Tata Motors soll gemäss der gemeinsamen Mitteilung auch die Stärke von Ivecos erfolgreichem Antriebsgeschäft (FPT Motorenforschung in Arbon, TG) weiter ausgebaut werden. So bringt die Akquisition der Inder bis in die Schweiz positive Aussichten in einer eher unsteten Zeit.

Text: Martin Schatzmann
Fotos: Schatzmann / ITOY