In Städten ist die Elektrifizierung der Linienbusse längst zum festen Bestandteil der Flottenerneuerung geworden, wobei vorerst vor allem die batterieelektrische Lösung vorangetrieben wird. Allerdings finden auch zunehmend Brennstoffzellenlösungen Verbreitung, die dank der Umwandlung von Wasserstoff in Strom ebenfalls unter Elektroantrieb fallen. Gleichwohl ist der diesjährige Vergleichstest von Omnibusspiegel auf Batteriebusse fokussiert, und zwar auf die Standardgrösse mit 12 Metern Länge.
Am Start stehen drei Niederflur- und ein Low-Entry-Modell. Bei Letzterem handelt es sich um den Iveco Crossway LE City, die Niederflurbusse sind der Higer Fencer F1 aus China, der Solaris Urbino 12 Electric und der VDL Citea LF-122. Ausser Konkurrenz am Test dabei sind zwei Modelle aus der 10-m-Klasse, das Konzeptfahrzeug Hess Swiss eBus Plus auf Basis des Lightram 10 Plug (10,6 m) und der Mercedes-Benz eCitaro K (10,76 m) sowie der Kleinbus Tremonia Sprinter City 75 Electric. Sie durchliefen die gleichen Testkriterien, allerdings ohne in die Ausmarchung zu fallen. In den folgenden Ausführungen beschränken wir uns daher nur noch auf die vier Kontrahenten.
Fester Testparcours
Für die seriöse Testumgebung sorgen die Bonner Verkehrsbetriebe, die Stadtwerke Bus und Bahn. Deren Werksgelände dient während des dreitägigen Events als Basis für die verschiedenen Abklärungen. Von hier aus wird mit allen Bussen ein simulierter Linienbetrieb über 16,9 km mit 19 Haltestellen durchgeführt. An jeder dieser Haltestelle wird angehalten und zwei Türen geöffnet. Dabei sind neben innerstädtisch kurzen Haltestellenintervallen auch Überlandabschnitte enthalten, ebenso eine längere Steigung. Auf der Strecke werden neben dem Energieverbrauch vor allem der Fahrkomfort und die Passagierfreundlichkeit ermittelt.
Doch damit nicht genug, der Test wird durch einen Werkstattcheck abgerundet. Hierbei nimmt ein spezialisiertes Team alle Busse mit Blick auf Konstruktions- und Verarbeitungsqualität unter die Lupe und klärt die Servicefreundlichkeit der einzelnen Fahrzeuge ab. Fahrverhalten und Fahrerorientierung, Passagierkomfort und Werkstatt machen je einen Drittel Wertung aus. So viel sei schon verraten: Die Nase knapp vorne hatte zum Schluss der VDL Citea LF-122, hauptsächlich wegen des guten Abschneidens beim Fahrerplatz und dem Fahrkomfort.
Werkstatt
In der Konstruktion verfügen alle Busse vorne über eine Einzelradaufhängung, und von den Probanten ist der Antrieb von dreien mit Zentralmotor ausgestattet, einzig VDL setzt auf die Elektroachse. Grundsätzlich weisen alle Fahrzeuge einen hohen Standard auf, nur ganz vereinzelt trüben eine unsauber verlegte Leitung (Scheuergefahr) oder Mängel in der Verarbeitung das positive Gesamtbild. Vor allem beim chinesischen Neuling Higer Fencer wird der grösste Nachholbedarf bei der Fertigungsqualität geortet, wobei zu seiner Verteidigung gesagt werden muss, dass es sich noch um ein Vorserienfahrzeug handelt. Und dass der Higer das Scania-Emblem trägt, ist dem Grund geschuldet, dass Scania Deutschland den Vertrieb von Higer in Deutschland übernommen hat.
Am Beispiel der Servolenkung wollen wir den Ansatz des Werkstatttests etwas klarer darstellen. Normalerweise wird die Servolenkung bei E-Bussen vom 12-Volt-Netz betrieben, um den Bus bei einem Batterieausfall der Hochvoltbatterie noch einen Moment lenkbar zu erhalten. Beim Higer wird dafür jedoch ebenfalls aufs Hochvoltnetz zurück-gegriffen. Zudem ist seine Hydraulikpumpe nicht wie üblich im Vorderachsbereich untergebracht, sondern weit weg im Heck. Kritik gibt es bei Iveco und Solaris beim Lenköl-Ausgleichsbehälter, der nicht – was er eigentlich sollte – frei zugänglich ist, sondern sich hinter einer verschraubten Frontverkleidung (Iveco) respektive unter einem Innendeckel hinter dem Vorderrad (Solaris) versteckt.
Sehr unterschiedlich haben alle Hersteller die Frage der Serviceklappen an Front, Seite und Heck gelöst. Vorne reichen die Lösungen von klappbar nach unten, oben und zur Seite bis zum kompletten Entfernen, wobei letzteres meist mit einem Zusatzaufwand für die Zwischenlagerung der Klappe verbunden ist. Im Heck hängen die Lösungen direkt von den Positionierungen der unterschiedlichen Komponenten ab. Dass dabei die Hochvolt-Verteilpunkte gut erreichbar im Heck zu finden sind, mag für die Serviceaufgaben begrüsst werden, dass sie dabei in einem besonders crashempfindlichen Bereich liegen, wird auch als problematisch angesehen. Die Elektromotoren sind übrigens wenig überraschend nur von unten zugänglich.
Tester-Vielfalt
Der Test wird übrigens nicht im kleinen Kreis durchgeführt, vielmehr dient er auch diversen Verkehrsbetrieben und Technologiezulieferern als interessante Vergleichsmöglichkeit. Inklusive der wirklich ganz kleinen Anzahl Busjournalisten nehmen rund 110 Personen am Test teil. Diese Anzahl ist auch nötig, um in den drei Tagen alle Aspekte erfassen zu können. Das heisst aber auch, dass nicht alle Beurteilungen immer ganz eindeutig ausfallen und damit zeigen, wie sich etliche Punkte durchaus subjektiv unterschiedlich bewerten lassen. Entsprechend wird von den einen etwas für gut befunden, was andere spezifisch kritisieren.
Das zeigt sich in verschiedenen Aspekten, wie beispielsweise dem Fahrkomfort. Manche lieben es eher kühl, andere eher warm. Die einen bevorzugen eine weiche Federung, andere eher eine straffe, vor allem wenn sie auf dem Chauffeursitz das zügige Vorwärtskommen zelebrieren. Doch durch die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Auffassungen ergibt sich für die Tester von Omnibusspiegel in Summe ein statistischer Mittelwert, der den Fahrzeugen auch gerecht wird.
Im Fahrzeuginnern
Ein besonderer Fokus liegt bei jenen Aspekten, die die Chauffeuse und den Chauffeur betreffen, namentlich das Fahrverhalten, die Verkehrsübersicht und die Bedienung des Fahrerplatzes. Zur Gestaltung des Arbeitsplatzes zählt auch der Zugang, der auf dem Foto unten die unterschiedlichen Ansätze zeigt. Beim Fahrverhalten geht es um die zuverlässige Funktion der Assistenzsysteme, aber auch um das Lenkverhalten und das Ansprechen des Antriebes, welche das Fahrverhalten in engen Kurven oder beim Anfahren definieren.
Der Zugang zu Innenraum und Fahrerplatz variiert je nach Fahrzeug, im Bild unten lassen sich die Unterschiede gut erkennen. Der flache und Rollstuhl- respektive Kinderwagen-gängige Stehbereich ist bei allen Bussen gut gelöst, einzig im Iveco bleibt kaum Platz, um mit einem Kinderwagen zu rangieren. Bei ihm kommt aber als einziger Low-Entry-Teilnehmer zum flachen vorderen Raum der Aspekt des erhöhten Podests im Heck dazu.
Bewertet werden die Busse in ihrer jeweils zum Test angetretenen Version. Das zeigt sich im Passagierabteil deutlich in Sachen Sitzkomfort und Sitzeinteilung. In Frankreich sind knappe Sitzabstände nicht unüblich, in anderen Ländern aber eher ein Kritikpunkt, was sich beispielsweise beim Iveco gezeigt hat. Der Higer wiederum ist mit komfortablem Sitzabstand angereist. Während beim Solaris die Beinfreiheit als gut, die Sitzbreite aber als knapp beurteilt wird. Und beim VDL gefallen Beinfreiheit und der pflegeleichte Stoff, der Sitzkomfort aber wird unterschiedlich bewertet.
Fazit
Wie gesagt schwingt der VDL Citea LF-122 ganz knapp obenaus. Er gewinnt zwar nicht alle drei Kategorien, aber in der Gesamtbewertung. Besonders die ausgewogene Fahrdynamik, die intuitive Bedienung, die Energieeffizienz und das durchdachte Fahrgastraumkonzept sind für diesen Erfolg ausschlaggebend. Doch die vier Busse zeigen deutlich, was die E-Mobilität heute zu leisten fähig ist: Es werden Effizienz, Komfort und Sicherheit in einem nachhaltigen Gesamtkonzept verpackt.
■ Text: Martin Schatzmann, Fotos: Omnibusspiegel
Ausser Konkurrenz
Da der Hess-Bus aus der Schweiz lediglich 10,6 m lang ist, läuft er beim Vergleich in Bonn ausser Konkurrenz. Dabei handelt es sich um einen speziellen Technologieträger auf Basis des Lightram 10 Plug, der darauf ausgelegt ist, durch noch höherer Energieeffizienz die Reichweite des Fahrzeugs zu verlängern. So ist der Bus u. a. zusätzlich isoliert, um Kältebrücken zu vermeiden. Dazu gehören eine Bodenisolation, gasbefüllte Doppelverglasung und Luftvorhänge an den Türen, die das Entweichen der temperierten Innenluft an den Haltestellen verringern. Auf diese Weise konnte der Komfort-Stromverbrauch um 30 % gesenkt werden. Die neue Zellgeneration der NMC-Batterie hat dank höherem Nickelanteil eine höhere Energiedichte und 15 % mehr Kapazität. Dieses rollende Labor wurde von der ETH Zürich und der Berner Fachhochschule mitentwickelt. Der Bus läuft bei der VBZ Zürich, ein ähnlicher Gelenkbus in der Region Solothurn bei der BSU.
Martin Schatzmann







