Die Hersteller von Personenwagen und Nutzfahrzeugen haben sich in Europa klar dem übergeordneten Klimaziel des Pariser Abkommens verschrieben, bei dem die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden soll. Um dieses Ziel erreichen zu können, verfolgen praktisch alle Konzerne eine Klimastrategie, um auf diesem Weg bis 2050 über die gesamte Wertschöpfungskette Netto-Null zu erreichen. Dabei sorgt die Automobilindustrie mit E-Fahrzeugen dafür, dass andere Industrien und Private künftig ihre Mobilität klimaneutral gestalten können. Zugleich sind grosse Investitionen nötig, um die Emissionen der eigenen Standorte (Verwaltung, Fabrikation) und der Zulieferer (Komponenten, Logistik) im Gleichschritt ans Netto-Null-Ziel heranzuführen. Vier Beispiele.
Daimler Truck
Die Teile und Komponenten für die Werke von Daimler Truck in Wörth, Gaggenau, Kassel und Mannheim werden im regionalen Verkehr seit vorletztem Jahr teilweise schon mit E-Trucks (eActros 300 & 400) angeliefert. Nun zündet Daimler Truck in seinem Projekt der elektrifizierten Inbound-Logistik die zweite Stufe und integriert dank der höheren Reichweite des neuen eActros 600 auch die Fernstrecken der Zulieferung. Künftig werden 14 Logistikunternehmen, welche bereits heute Teile und Komponenten an Daimler-Werke liefern, vermehrt diese Aufgaben mit dem eActros 600 wahrnehmen. Durch diesen Ausbau werden künftig pro Jahr in der Inbound-Logistik bis zu 2,5 Mio. Kilometer CO2-frei zurückgelegt.
Neben dem Ausbau der werkseigenen Ladeinfrastruktur ist Daimler Truck mit weiteren Partnern aus der Lkw-Industrie auch am Ausbau der öffentlichen und halböffentlichen Ladeinfrastruktur beteiligt (Stichwort Milence). Diese wird gezielt Lastwagen-tauglich ausgelegt, damit beim Laden genügend Manövrierraum und Leistung am Stecker vorhanden sind. Das öffentliche Netz soll europaweit rund 1700 Ladepunkte, das halböffentliche, bei dem die Lader vor allem auf Betriebshöfen liegen, bis zu 3000 Ladepunkte aufweisen.
Nissan
Der japanische Autohersteller betreibt schon lange ein eigenes Werk im nordenglischen Sunderland, wo aktuell die Modelle Juke, Qashqai und Leaf vom Band rollen. Als erster Produktionsstandort der Autoindustrie in Grossbritannien hat Nissan vor wenigen Wochen einen Ladepark in Betrieb genommen, welcher es seinen Transporteuren ermöglicht, mit Elektro-Lastwagen ihre Teile und Komponenten anzuliefern oder fertig produzierte Wagen auszuliefern. Die Anlage verfügt über sieben Ladesäulen, an welchen bis zu zehn Lastwagen gleichzeitig geladen werden können. Auf diese Weise können täglich bis zu 25 Lkw mit bis zu 360 kW Ladeleistung ihre Batterien aufladen.
Dabei sind die Entfernungen nicht nur auf den nahen Hafen von Newcastle beschränkt, wo die E-Trucks die fertigen Autos zum Verschiffen hin liefern. Vielmehr werden Teile und Komponenten aus rund 260 km entfernten Standorten nach Sunderland gebracht. Mit der neuen Ladeinfrastruktur ermöglicht Nissan, dass über 2,4 Mio. Kilometer CO2-frei zurückgelegt und dadurch rund 1500 Tonnen CO2 eingespart werden können.
Renault Trucks
Der Vorreiter in Sachen Elektrolastwagen hat erste Schritte unternommen, um seine Logistik zu dekarbonisieren. Seit rund einem Jahr erfolgt die Lieferung der Achsen ans Werk in Bourg-en-Bresse, wo die schweren Modelle gebaut werden, per E-Truck. Bis 2030 will Renault Trucks in seiner gesamten Logistikleistung in Europa fossilfrei werden. Um die in Lyon gefertigten Achsen ins rund 90 km entfernte Bourg-en-Bresse zu bringen, legen fünf bis sieben Lastwagen zwei Mal täglich die Strecke zurück. Allerdings übersteigen diese zwei Mal mit 180 km die Reichweite der LKWs, weshalb die Fahrten ein Zwischenladen benötigen. Renault Trucks hat für sein erstes eigenes Projekt seine ganzen, hochmodernen Tools benutzt, mit welchen auch die Kunden in der Umstellung auf Elektrolastwagen beraten werden.
BMW
Wie bei seinen Fahrzeugen beschränkt sich der Hersteller aus München nicht auf eine einzige Alternativantriebstechnologie. So verkauft BMW zwar in grossen Stückzahlen Elektromobile, entwickelt aber auch auf der Schiene von Wasserstoff-Brennstoffzelle weiter. Und in der Logistik gelangen seit vergangenem Jahr erste batterieelektrische Lastwagen von DAF zum Einsatz, doch kamen vor Kurzem zwei Brennstoffzellen-Trucks von Iveco dazu, welche bis zu 800 km Reichweite aufweisen und daher die längeren Zulieferstrecken abdecken können. Die Iveco werden zwischen Nürnberg und Leipzig eingesetzt, wobei an beiden Orten je eine Wasserstoff-Tankstelle neu erbaut wurde. Wasserstoff spielt übrigens auch in der Fertigungslogistik von BMW eine zunehmend wichtige Rolle (vgl. Kasten).
Gleichwohl baut BMW die Elektro-Lkw-Logistik weiter aus, unter anderem mit neuen Elektrolastwagen von MAN auf der Strecke Regensburg–Leipzig (360 km). Würde nur ein Logistiker auf dieser Strecke für BMW komplett auf Elektro umsteigen, könnte sich jährlich ein CO2-Ausstoss von bis zu 3000 Tonnen verhindern lassen.
■ Text: Martin Schatzmann, Fotos: OEM
BMW Werk Regensburg
Von Batterie auf Brennstoffzelle
Während BMW in der externen Werkslogistik einen technologieoffenen Ansatz wählt, steht in der internen Logistik ein grundsätzlicher Wechsel an. So stellt BMW in seinem Werk in Regensburg seine Produktionslogistik im kommenden Jahr auf Wasserstoff um. Mit anderen Worten, Regensburg wechselt bei den Flurförderfahrzeugen wie Gabelstaplern und Routenzügen vom Batteriespeicher auf die Brennstoffzelle. Die nötige Tankinfrastruktur wird aktuell erstellt.
Dies geschieht nicht nur, um einen grösseren Energiemix im Werk zu erhalten, sondern vor allem auch, um die Logistikprozesse zu optimieren und Fläche zu sparen. Bei den aktuell eingesetzten Flurförderfahrzeugen muss die Batterie pro Schicht zwei Mal gewechselt werden, was jeweils rund eine Viertelstunde Zeit in Anspruch nimmt und relativ viel Platz beansprucht. Mit dem Wechsel auf Wasserstoff entfallen diese Punkte. Auch benötigen die dezentralen H2-Tankstellen viel weniger Platz, als bisher für Batteriewechsel und -lagerung nötig war. Und die Betankung mit Wasserstoff braucht nur noch ähnlich wenig Zeit wie bei herkömmlichen Treibstoffen.
Martin Schatzmann





